Dienstag, 6. Oktober 2009

Eine Vorrede zur Masterthesis

Der Umgang mit dem Tod im Alpinismus

Tobias J. Humm

Preface


Das Thema meiner Masterthesis ist, obschon an einer Kunsthochschule eingereicht, nicht eines das sich in erster Linie mit Kunst befasst, sondern mit Kultur in einem allgemeiner gefassten Sinn. Ich will einige Merkmale einer speziellen gesellschaftlichen Verhaltensweise anschauen und interpretieren. Das gewählte Feld ist der Umgang mit dem Tod im Alpinismus in allen seinen Ausprägungen.


Während im alltäglichen Leben möglichst jedes Risiko vermieden oder doch wenigstens versichert wird, wird im Alpinismus genau dieses Risiko gesucht, und die Grenzen des gerade noch Machbaren werden mit gezieltem Training und einer sich ständig verbessernden Technik immer weiter hinausgeschoben. So werden Berg
e besteigbar, die vor Jahrzehnten noch als unbezwingbar gegolten hatten, und Routen die vor kurzem noch mehrtägigen Expeditionen glichen, werden von Spitzenkletteren in wenigen Stunden durchrannt.


Ein ständiger Begleiter bei den immer höheren Schwierigkeiten, die dabei gemeistert werden ist der mögliche Tod. Kein noch so gutes Seil, kein noch so hartes Training und auch nicht die modernsten Wetterberichte vermögen das Risiko eines Absturzes, einer Lawine, oder eines lebensbedrohlichen Wettersturzes je völlig auszuschalten.


Ist es so, dass Menschen, die in ihrer Freizeit auf Berge steigen und dabei hohe persönliche Risiken auf sich nehmen, die Gefahr die mit ihrem Tun einhergeht, einerseits suchen und andererseits verdrängen?
Suchen sie, in dem sie auf möglichst schwierigen Routen durch Wände steigen oder über Grate klettern, in möglichst grosser Höhe ohne künstlichen Sauerstoff versuchen auszukommen und mit möglichst wenig Material und Sicherung möglichst grosse Schwierigkeiten zu überwinden nicht anderes als diese Lebensgefahr?
Wird dabei die Nähe eines möglichen Absturzes nicht vermieden sondern gesucht?
Wenn aber ein Unglück geschieht, und jemand aus einer Gruppe sich tödliche Verletzungen zuzieht oder gar eine ganze Gruppe von Bergsteigern abstürzt, in einer Lawine begraben wird oder in grosser Höhe erfriert, wie wird dieses Ereignis, das in den Medien meist grosse Aufmerksamkeit erregt, von der betroffenen Gemeinschaft verarbeitet? Wird es nicht einfach aus dem Bewusstsein verdrängt?


Geschieht die Verdrängung nicht einfach dadurch, dass niemand darüber spricht, und dass der Tod eines Bergkameraden ganz einfach als Teil des Spieles in dieses integriert wird?
Dass die Ursachen des Unfalls analysiert, und Schlussfolgerungen gezogen werden. Werden nicht gleichentags aus dem Gefühl der Sicherheit, dass man jetzt weiss, was der verunfallte Freund falsch gemacht hat, die Schwierigkeiten der Routen erhöht, so dass eigentlich bei höherem Wissen um die Gefährlichkeit und besserem Einblick ins Gefahrenpotential des Tuns die gleiche objektive Gefahr in Kauf genommen wird?
Also wird nicht einerseits ein Risikomanagement betrieben, das garantieren soll, dass das Risiko klein gehalten wird, andererseits werden die angegangenen Schwierigkeiten ständig erhöht, um die Nähe des Todes trotzdem zu spüren?


Um den Themenkreis zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf die Geschichte der Wahrnehmung der Berge von der Antike bis heute.

Warum ist der Sitz der griechischen Götter auf dem höchsten Berg des antiken Griechenlands?
Warum erhält Moses die Gesetzestafeln auf dem Sinai, und warum geht Jesus zur Bergpredigt, wo er seine radikalsten Gedanken
verkündet, auf einen Berg?

Die Berge wurden von alters her mythisch überhöht und mit Bedeutung aufgeladen, und so ist auch der Tod in Bergen in der Anfangszeit des Alpinismus, im 19. Jahrhundert noch von mythischen Verklärung geprägt.
Ende des 20. Jahrhunderts nimmt die Verklärung klar ab eine nüchterne Betrachtung macht sich breit.
Der Tod in den Bergen wird zunehmend als Teil der Alltagskultur, der Freizeitkultur dargestellt.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen