Dienstag, 10. November 2009

Über die Ikonographie des alpinen Todes



Grabstein mit Seil und Pickel

Seil und Pickel auf einem Grabstein zeigen an, dass jemand beim Bergsteigen verunglückt ist. Doch mancher Grabstein in den Bergen erzählt die Geschichte von Heldentum oder von einer verlorenen Liebe.

Kein Bergsteiger würde sich als lebensmüde bezeichnen, und doch verunglücken in den Alpen alljährlich mehrere hundert Menschen tödlich. Seit die Alpenvereine DAV, SAC und ÖAV Statistiken über die Unfallzahlen in den Bergen führen, bleibt die Zahl der tödlich verlaufenden Bergunfälle unvermindert hoch. Zwar hat sich sowohl die Ausrüstung der meisten Berggänger als auch die Rettungstechnik wesentlich verbessert, doch die Zahl der Toten bleibt angesichts der immer zunehmenden Schwierigkeiten der Routen und einer steigenden Beliebtheit von alpinen Risikosportarten in etwa gleich.

So hat sich in den Alpenländern eine eigene Ikonographie des Bergtodes entwickelt und mit den Jahrzehnten entsprechend dem veränderten Bewusstsein gewandelt. In Grindelwald und Zermatt liegt der Friedhof neben der Kirche und gewährt einen unverstellten Blick auf die Berge, deren Opfer hier die letzte Ruhestätte gefunden haben.

Das Matterhorn schaut drohend über die Kirche auf den Zermatter Friedhof und in Grindelwald bietet der Gottesacker einen angsteinflössenden Blick in die grauschwarze Eigernordwand, wo schon über 50 Alpinisten den Tod gefunden haben. Viele von ihnen liegen in unmittelbarer Nähe der Wand, die ihnen das Leben bedeutet hat.

In Chamonix liegen berühmte Bergsteiger neben unbekannten, es gibt dort eine ganze Abteilung, wo nur Bergsteiger zu liegen kommen. Die gesellschaftliche Bedeutung des Bergsteigens lässt sich so an Hand der Grabsteine aus verschiedenen Zeiten ablesen. Neben Namen und persönlichen Daten erwähnen viele Steine auch den Berg, wo der Begrabene den Tod gefunden hat. Im 19. Jahrhundert wurde der Tod in den Bergen mit romantischen Gedichten und Steinhauereien dargestellt. Auf dem Grab des Pfarrers zu Brighton, der 1841 am Schreckhorn den Tod fand, wird behauptet, dass es ohnehin besser sei, bei Christus im Himmel zu sein als auf der Erde. Jedes Zeitalter hat seine eigene Wahrnehmung und Interpretation des Todes, so wurde er denn auch lange Jahrzehnte mystifiziert. Mut und Treue wurden als männliche Tugenden heraufbeschwört und wenn der Unfall Soldaten betraf, was in der Schweiz immer wieder vorkommt, wurde auch dies immer speziell erwähnt. Erst das ausgehende 20. Jahrhundert zeichnete sich durch eine zunehmende Versachlichung aus. Doch die Insignien des Alpinisten, Seil und Pickel, sieht man auf Gräbern aus allen Zeiten.

Die Gletscher des Mont Blanc Gebirges sind ausgesprochen zerklüftet und haben schon Dutzende von Opfern nicht wieder hergegeben. So trägt eine ganze Wand des Friedhofsgebäudes in Chamonix Tafeln aus Granit oder Marmor zur Erinnerung an niemals aufgefundene Bergsteiger. Hier hängen Gedenktafeln für bekannte und unbekannte Alpinisten aus der ganzen Welt nebeneinander. Manche erzählen von Bergabenteuern, manche nennen schlicht die Lebensdaten. Ein trauernder Hinterbliebener erwähnt, dass seine schöne Valerie sich 1990 mit dem Berg vermählt habe. Gleich daneben erinnert eine Tafel an eine junge Münchnerin, die einen Tag nach ihrem 15. Geburtstag in einer Gletscherspalte verunglückt ist und deren Leiche nicht geborgen werden konnte.

Bergsteigergräber sind Gräber für meist junge Menschen, die aus der vollen Blüte ihrer Jahre gerissen wurden und die eine trauernde Familie und viele Freunde hinterlassen. Entsprechend werden sie häufig sehr individuell gestaltet und über viele Jahre von Eltern und Partnerinnen sorgfältig gepflegt.

Der französische Spitzenalpinist Lionel Terray hat in Chamonix als Grab eine Art steinumrundeten Alpengarten bekommen, und auf einer Holztafel steht neben einem martialischen Pickel sein Name und der seiner viel später verstorbenen Gattin. Er war an der ersten Expedition beteiligt, bei der ein Achttausender bestiegen wurde. Nicht weit davon liegt das Grab eines der berühmtesten und umstrittensten Bergsteigers aller Zeiten: Der englische Zeichner und Schriftsteller Edward Whymper stand als erster Mensch auf dem Matterhorn und hat infolge der Tragödie, welche die Gruppe beim Abstieg ereilt hatte, lebenslange negative Publizität erreicht. Man warf ihm vor, das Seil, an dem die gestürzten vier Kameraden hingen, durchschnitten zu haben, um sich selber zu retten. Bewiesen wurde der Vorwurf aber nie. Eine verwitterte Marmortafel erinnert 98 Jahre nach seinem Tod in Chamonix an ihn.

Bergführer nehmen nicht nur in den Bergen eine Sonderstellung ein. Der Beruf gilt in den Berggebieten als eine besondere Auszeichnung, braucht er doch einen besonderen Mut und grosse Besonnenheit. Ohne diese Tugenden lebt es sich in den Bergen gefährlich. Bergführer nehmen auch auf den Friedhöfen eine Art Sonderstellung ein. Stirbt einer von ihnen bei der Ausübung seines gefährlichen Berufs, so tragen ihn die Bergführerkollegen zu Grabe. Auf dem Stein wird in jedem Fall die Berufsbezeichnung „Bergführer“ angegeben, auch wenn einer im hohen Alter im Bett gestorben ist.


Sonntag, 18. Oktober 2009

Das Lawinenunglück vom Chrüz St. Antönien vom 27.2.1983

Konstanz und das Chrüz


Das Lawinenunglück am Chrüz bei St. Antönien vom 27.2.1983 und andere Unfälle


Der Bruder meiner damaligen Freundin wollte am 27.2.1983 auf dem Gipfel des Chrüz im Prättigau seine Verlobung bekannt geben, und lud zu diesem Zweck die Familie seiner Verlobten und seine eigene zu einer Skitour ein. Beide Familien waren den Bergen sehr verbunden, auch die älteren Semester waren geübte Skitourengänger. Niemand von uns konnte ahnen, was der Tag bringen würde.
Der Tag war für die Jahreszeit warm, dunkle Wolken hingen tief an den Bergspitzen, und liessen schwere, grosse Schneeflocken fallen. Wir fuhren ein Stück mit dem Skilift und verliessen ihn, bevor wir die Bergstation erreicht hatten. Dann bogen wir südlich ab, in Richtung Wald. Nach wenigen Metern Aufstieg entledigte ich mich meines Pullovers, allein die Windjacke gab warm genug. Der nasse Schnee hinterliess auf der Jacke dunkle Spuren, unter den Tragriemen meines Rucksacks wurde es bald feucht bis auf die Haut. Die Bäume standen locker in diesem Wald, man konnte ihn sowohl im Aufstieg wie in der Abfahrt problemlos durchqueren. Danach folgten einige Meter Abfahrt, allerdings lohnte es sich nicht, die Steigfelle von den Skiern zu nehmen, wir rutschten mit den Fellen hinunter in eine Senke um dann wieder aufzusteigen. Der Schneefall wurde hier oben stärker und es wehte ein heftiger Wind. Je höher wir stiegen, desto tiefer lag der schwere Neuschnee.
Bei der Alp Valpún trafen wir auf eine fröhliche Gruppe deutscher Skitourengänger, die wir vorher schon von weitem beobachtet hatten, wie sie in Einerkolonne eine Spur durch den Wald zogen. Wir setzten uns in den Windschatten der Alphütte und plauderten miteinander, machten Scherze und sprachen kurz über die Route. Dann stiegen die Deutschen, die sich für den Westgrat entschieden hatten im dichten Nebel und Schneefall weiter. Auch wir brachen kurz danach auf.

Die Lawine

Die Route liess zu, dass wir uns entweder auf Gelände bewegten, das weniger als die für Lawinen kritischen 30 Grad steil war, oder auf einer vom Wind schneefrei gehaltenen und von der Wärme etwas aufgeweichten Eislamelle. So bestand keine Gefahr für uns. Der Neuschnee war mit der Unterlage nicht verbunden, sobald ein Hang über 30 Grad steil war, rutschte er auf der eisigen Unterlage weg. Als wir auf dem weitgehend neuschneefreien Nordostgrat etwa die Hälfte des Weges zurückgelegt hatten, sah unser vorderster Mann, es war Andy Weber, der sich verloben wollte, durch den aufreissenden Nebel, dass am Gipfel eine Lawine niedergegangen war. Er ging etwas näher an den Gratabbruch und sah jemanden mir einer roten Jacke, dessen Beine in einem riesigen Lawinenkegel steckten, um Hilfe rufen. Von seinen Kameraden sahen wir keine Spur. Sofort versuchten wir zu ihm hinunter zu fahren, was aber in den steilen Hängen nicht ging, da diese sofort anfingen wegzurutschen. Sie drohten auch uns zu verschütten. Wir mussten eine kleine Strecke zurück abfahren und dann wieder aufsteigen. Dabei ging wertvolle Zeit verloren. Wir schickten zwei gute Skifahrer ins Tal um Hilfe zu organisieren. Von unserer Gruppe waren einige nicht in der Lage, sich um die Verletzten zu kümmern, sie waren zu sehr geschockt und brauchten selber Betreuung. Als ich zur Unfallstelle kam, hatte der erste, der sich selbst befreien konnte, schon einen weiteren Kameraden soweit freigelegt, dass dieser atmen konnte und bei einem zweiten hatte er angefangen den Kopf auszugraben. Bald fanden wir mit den Verschüttetensuchgeräten VSL weitere Verschüttete und gruben sie mit den Lawinenschaufeln, die zu jeder Skitourenausrüstung gehört, aus. Nur die ersten hatten noch eine spontane Atmung, die nächsten hatten schon Herz- und Atemstillstand. Sie hatten den schweren Schnee in Nase und Mund gedrückt, so war ihnen kein einziger Atemzug möglich. Einen Mann, bei dem anfänglich keine Spontanatmung mehr festzustellen gewesen war, konnten wir ins Leben zurückbringen. Er fuhr am Abend sogar mit dem Auto heim nach Konstanz.

Beatmen bis zur Erschöpfung

Das Beatmen der Toten und der tief ohnmächtigen Personen gestaltete sich unvorstellbar schwierig, da ihre schlaffe Gesichtsmuskulatur dem Druck der haltenden Hände auswich und keinen Widerstand gab. Ich versuchte, ihnen den Kiefer vorzudrücken und die Lippen aufeinander zu pressen, damit die Luft nicht durch den Mund entweichen konnte, wenn ich Luft durch die Nase in den Körper blies. Doch es war viel schwieriger als im Erste Hilfe Kurs, wo ich an einer Puppe geübt hatte. Ausserdem wurden ihre Körper von der Last des Schnees zusammengepresst, so dass kaum Luft in den Brustkorb eindringen konnte bevor dieser freigelegt war. Wir konnten uns im klumpigen Lawinenschnee nicht richtig hinknien, ich bekam in einer meist verdrehten Lage selber kaum Luft. Ausserdem kam man sich ständig mit dem Kollegen der Herzmassage machte, mit den Beinen in die Quere. Die Verschütteten mussten ja mit Luft versorget werden, als sie noch tief in ihren Löchern unten im Schnee festgehalten wurden. Wir mussten kopfunter beatmen, das Blut schoss uns in den Kopf und wir mussten acht geben, nicht selber ohnmächtig zu werden. Wenn ein Kollege dann für die Herzmassage dreimal nacheinander kräftig auf den Brustkorb des Verunfallten drückte, spritzte mir dessen Mageninhalt ins Gesicht. Nach kurzem musste ich mich gegen kräftigen Brechreiz wehren, doch ich konnte die ganze Zeit über an mich halten. Wir wechselten uns ab so gut es ging, als ich einmal einem Verunfallten für die Herzmassage kräftig auf den Brustkorb drückte, knackte es unter meinen Händen, als ob ich einen Bund Reisig zerbrochen hätte. Ich muss ihm die Rippen gebrochen haben. Als ich es später dem Notarzt sagte, meinte er, das sei das kleinste Übel das passieren könnte und ich solle mir deswegen keine Gedanken machen.

Der letzte Verschüttete

Wir hatten vier Personen zu versorgen, bis jemand rief, jemand fehle noch. Ich stand auf, und übergab meinen Platz jemandem anderem. Das Beatmen strengte mich sehr an, ich brauchte eine Pause. Mit dem VSL war schon gesucht worden, ohne Erfolg. Die Deutschen hatten VSL des Systems Pieps, das auf einer andern Frequenz arbeitete, als das Schweizer Barryvox. Nur einzelne hatte das neueste Doppelfrequenzgerät. Daher mussten wir mit ihren Geräten suchen. Pieps war auch nicht so zuverlässig wie Barryvox. Da ich im Lawinenschnee nicht richtig gehen konnte und ständig in Löcher einbrach und stürzte, wurden mir auch die Ohrhörer, die zum Pieps gehören, immer wieder aus den Ohren gerissen. Wenn ich wieder stand, hatte ich die Richtung verloren, in der ich gesucht hatte und die Ohrhörer waren voll Schnee und gaben kein klares Zeichen mehr her. In den letzten Jahrzehnten wurden die Systeme wesentlich verbessert.
Ich war mir sicher, dass an einer Stelle noch eine Person lag, und fing rein von der Intuition gesteuert an zu graben. Bald stiess ich in der Nähe von jemandem, der zwar noch grösstenteils verschüttet war, aber selbständig atmete, auch auf einen Skischuh, ich dachte, der müsste zu ihm gehören, dann müsste er aber das Bein sehr schmerzhaft verdreht haben. Doch bald zeigte sich, dass es die noch gesuchte Person war. Sie steckte mit dem Kopf nach unten im Schnee, der Kopf war sicher zwei Meter tief verschüttet, die Nasen- und Mundhöhlen mit Schnee voll gestopft. Ohne grosse Hoffnung auf Erfolg versuchten wir sie zu beatmen und das Herz wieder in Gang zu bringen. Der Bruder der Braut, Matthias Greuter, stand am Anfang seines Medizinstudiums und forderte uns auf, alles Mögliche zu versuchen, sonst hätten wir uns vielleicht schneller mit dem Tod der Verschütteten abgefunden, so gaben wir alle unsere letzten Kräfte her. Matthias Greuter stürzte im Juli 2009 am Sustenlochspitz beim Klettern tödlich ab.

Das lange Warten auf den Helikopter

Erst nach zwei Stunden kam der Helikopter langsam durch den Nebel. Sofort sprang ein Regaarzt aus der Maschine und kam zu uns. Er sah, dass es viel mehr Verletzte gab, als er erwartet hatte, und fing hektisch mit Untersuchungen an. Bei zwei Verschütteten sah er noch Hoffnung auf Rettung, da ihre Pupillen noch auf das Licht seiner Taschenlampe reagierten. Seine Versuche zur Reanimation mit einem Defibillrator zeigten aber keine Wirkung, obwohl sich die Patienten unter dem Stromstoss aufbäumten und die eine danach einen spontanen Atemzug andeutete. Der Arzt intubierte die Personen, die auf der Unfallstelle verblieben, so konnten wir sie mit einem Blasbalg beatmen, was eine wesentliche Erleichterung darstellte.
Die beiden Opfer, bei denen noch eine gewisse Hoffnung auf Rettung bestand, wurden in den Helikopter verladen und der Arzt flog mit ihnen ins Spital Schiers. Dort wurde später allerdings nur noch ihr Tod festgestellt.

Wir waren wieder allein auf der Unfallstelle und mussten versuchen die verblieben Opfer, soweit es unsere Kräfte erlauben, weiter zu beatmen. Matthias hatte uns gesagt, dass bei guter Beatmung und einer minimal durch Herzmassage aufrecht erhaltenen Blutzirkulation Personen auch nach mehreren Stunden gerettet werden könnten. Also setzten wir unsere letzten Kräfte frei. Ein weiterer Heli kam über die Krete geflogen und mit ihm ein Arzt aus dem Tal. Er war ruhig, was auch uns eine gewisse Sicherheit und Ruhe zurückgab. Er trug eine beige Manchesterhose, eine schwarze Leinenwindjacke und Militärschuhe. Er fragt auch, wie es uns gehe, dann wurden die Personen, die wir bis dahin unter Aufbietung unserer ganzen Kräfte beatmet hatten, auf Bahren in den Helikopter geladen. Der Heli vom Typ Alouette 3 hatte zwei Halterungen für Bahren, einige Mitglieder unserer Gruppe flogen noch mit hinunter, einige fuhren mit den Ski ins Tal. Dann kam der Heli ein drittes Mal, wir luden den letzten Toten ein. Inzwischen hatte der Arzt das Zeichen gegeben, mit Beatmen aufzuhören, da keine Aussicht mehr bestand, ihn zum Leben zurück zu holen. Ich stieg ein und kam zu meinem ersten Heliflug. Das Wetter hatte sich in der Zwischenzeit soweit gebessert, dass der Pilot normal auf Sicht fliegen konnte und sich nicht mehr wie beim ersten Anflug mit Hilfe eines Bauern aus der Gegend von Baum zu Baum tasten musste. Auf dem Parkplatz von St. Antönien landeten wir. Eine Menge Leute stand dort und schaute uns betreten zu, wie wir den Toten ausluden und ins Hotel Weisses Kreuz hinüberbrachten. Ein dicker Mann in einer jagdgrünen Heli Hansen Jacke wollte Fragen stellen, doch wir waren zu erschöpft um zu sprechen. Der Brautvater Marc Greuter nahm uns zusammen und schirmte uns von Fragen ab. Im Hotel Weisses Kreuz wurden wir versorgt, der Heli flog mit einem Polizisten zur Unfallstelle. Im Saal neben dem Raum, wo wir verpflegt wurden, lagen die Toten auf den Tischen. Ihre Gesichter sahen völlig entspannt und friedlich aus. Ich rief meine Eltern an um sie zu informieren. Sie wussten schon, dass ein Lawinenunglück passiert war, zeigten sich aber nicht beunruhigt, weil sie unserer Vorsicht vertrauen.
Am Abend fuhren wir heim. Mit Postauto und Bahn.

Eine Betreuung für die Retter war nicht vorgesehen, wir waren mit unseren Eindrücken uns selbst überlassen. Ich träumte während Jahren von den Bildern, der in der Lawine verschütteten. Immer wieder tauchten die Erinnerungen auf und liessen mich während zwei Jahrzehnten viele Nächte lang nicht schlafen. Als ich einmal in einem Eisenbahnabteil Kotze roch, geriet ich in Panik. Der Gestank erinnerte mich an den Stress, dem wir beim Beatmen ausgesetzt gewesen sind, die Anstrengung und die schwindende Hoffnung auf Wiederbelebung.


Zeitungsberichte – Todesanzeigen -
Behauptungen und Dementi - Lawinenbericht

Die Resonanz des Lawinenunglücks in der Presse war enorm, waren doch 5 Bergsteiger aus der gleichen Stadt umgekommen, unter ihnen der erste Staatsanwalt von Konstanz und bekannte Vorstandsmitglieder der DAV Sektion. Informationen wurden gedruckt, aber auch Hintergründe wurden ausgeleuchtet. Jede Zeitung der Region Konstanz brachte ausführliche Berichte über das Unglück, über die Toten und ihre Familien. Von der FAZ bis zur Bildzeitung räumten auch alle grossen deutschen Blätter dem Unfall Platz ein. In der renommierten Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschien eine Meldung, die Bergsteiger seien trotz Warnung aufgestiegen. Sie hätten zu lange im Schnee gelegen und seien bewusstlos geworden. Ein Sprecher der Kantonspolizei habe die Zeitung informiert, dass es eine Lawinenwarnung eines Einheimischen gegeben habe. Der Unglückshang wird als bekannt für seine Gefährlichkeit erwähnt, da im Jahr 1947 dort schon einmal in einer Lawine sieben einheimische Bergsteiger gestorben sind. Auch das Oberbayrische Volksblatt erwähnte, dass es eine Warnung gegeben haben soll, ebenso die Bildzeitung. Das deutsche Boulevardblatt wusste sogar den Namen des angeblichen Warners und titelte in fetten Lettern: Almbauer Jenni: „Ich habe sie gewarnt“.
Die Konstanzer Zeitung zitiert dagegen nicht namentlich genannte Fachleute, dass „....sich die Konstanzer Gruppe in ziemlich sicheren Gebiet bewegt hat, dass die Lawinenverhältnisse aber noch selten so gefährlich gewesen sind wie in diesem Winter.“
Zum Unfallzeitpunkt arbeitete an der oberen Skiliftstation ein Mann namens Christian Jenny. Er wurde in manchen Zeitungsberichten (Bild, FAZ) mit der Aussage zitiert, er habe die Gruppe gewarnt. Doch da die Gruppe gar nicht an der oberen Skiliftstation vorbeigekommen war, ist dies schon aus geografischen Gründen unmöglich. Wer auf die Idee gekommen ist, ihm diese Warnung in den Mund zu legen, lässt sich heute nicht mehr feststellen, ebenso wenig, welche Zeitung diese Meldung als erste verbreitet hat. Jedenfalls wurde sie dann vielfach abgeschrieben.
Der Artikel der Konstanzer Zeitung ging auch noch auf den Lawinenbericht ein. Zitat: „Der Schweizer Meteorologe und Lawinenforscher Paul Föhn nimmt an, dass unter der Pulverschneedecke die Altschneedecke abgebrochen ist. Dadurch habe das ganze Hangstück den Halt verloren. Damit habe die Gruppe aus Konstanz nicht rechnen müssen.“ Mit dieser Aussage entlastet der Lawinendienst nicht nur die Verunfallten, sondern in erster Linie sich selber. Der damaligen Praxis folgend wurde der Lawinenbericht fürs Wochenende am Freitag formuliert. In diesem Fall hatte dies dramatische Konsequenzen, da eine Warmfront den Lawinenbericht zu Makulatur entwertete. Diese radikale Veränderung der Situation wurde aber in den Aussagen von Paul Föhn nicht erwähnt, obwohl sie für jeden einigermassen erfahrenen Tourengänger im Gelände sofort sichtbar geworden ist. Föhn blieb bei seiner Aussage, die sich auf den Bericht vom Freitag bezog. Schon die Aussage, dass Pulverschnee gefallen sei, ist falsch. Es lagen zum Unfallzeitpunkt auf 2000 m.ü.M in der Ebene ca. 25 cm schwerer Neuschnee, Der Westwind hatte dann zu grossen Verfrachtungen geführt und die nach NO geneigte Mulde voll geweht. An der Abrissstelle wurde eine Schneehöhe von ca. 60 cm gemessen.
Die zeitgenössischen Presseberichte, sind voller Anklagen, erwähnen Leichtfertigkeit und übertriebene Sorglosigkeit, sie machen die Verunfallten zu Schuldigen und erwähnen das Leid der Familien.

Ein einziges Bild

Ein Bild wurde gemacht, als wir die Leute aus dem Helikopter ausluden. Es war das einzige Bild vom Unfall und wurde in fast allen Zeitungen gebracht. In einem Artikel wurde jemandem von unserer Gruppe in den Mund gelegt, wir hätten die Verschütteten mit blossen Händen ausgegraben. Dabei hatten alle ihre Schaufeln dabei, was zu dieser Zeit völlig normal war.
Die Bildzeitung machte am 1. März 83 aus dem Laientourenleiter Werner Schillinger einen Bergführer, der in einer Luftblase überlebt hatte. Schillinger hatte tatsächlich das Glück, in aufrechter Position zu sein, als die Lawine zum Stehen kam, und mit dem einen Arm konnte er sich im Schnee eine Höhle frei halten. Ausserdem wurde er dank der geringen Verschüttungstiefe als einer der ersten gefunden und konnte dadurch schnell wieder selber atmen. Im gleichen Artikel kommt noch ein Andreas Flütsch vor, der angeblich die Rettungskräfte geleitet hat. Ein Mitglied dieses Namens gab es in unserer Gruppe nicht, vielleicht arbeitete er auf der Basis der Rega, war aber nie auf dem Unfallort.
Die Konstanzer Zeitung titelte am Montag: 10 Kinder wurden zu Halbwaisen. Und der Untertitel lautete: Die fünf Lawinenopfer werden heute überführt – gemeinsame Trauerfeier. Im Text hiess es: „Das schreckliche Lawinenunglück in der Ostschweiz hat vier Kindern die Mutter und sechs Kindern die Väter genommen. Mit ihnen trauern die Ehefrauen und die übrigen Angehörigen. Niemand in Konstanz konnte gestern so richtig fassen, welches Verhängnis da über Mitmenschen hereingebrochen ist.“
Dann wurden in der Presse die einzelnen Personen beschrieben, in ihrer beruflichen und familiären Situation. Nur der jüngste von ihnen, der 26 jährige Arzt Stefan Kluge hatte keine Kinder. Dies wurde besonders erwähnt.
Am 12. März 83 erschien im St. Galler Tagblatt ein polemischer Kommentar zum
Lawinenunglück aus der Feder eines Kurt Schönenberger. Er war ein ehemaliges
Mitglied der Sektion Konstanz das nach seinem Austritt auch seinem minderjährigen Sohn verboten hat in der Sektion Mitglied zu werden. Er klagt die Sektion Konstanz, und besonders den Schriftführer Raimund Steinhoff an, mit einer unverantwortlichen
Sprache des Leistens, des Trotzens, Angreifens, Eroberns und Bezwingens des Berges in den Vereinsschriften den Boden für unvorsichtiges Bergsteigen gelegt zu haben. Er führt einige Beispiele aus Vereinspublikationen an, welche in seinen Augen die Gefahr verharmlosen und eine Art von Heldentum heraufbeschwören, die dem Schreiber das Gefühl vermittelt haben, in dieser Sektion sei ein sicheres Bergsteigen nicht möglich. Dabei zitiert er aus Vereinsschriften: „Das Wetter hat uns arg mitgespielt, aber wir haben ihm getrotzt und nahmhafte Gipfel erobert.“ Und weiter: „Um bei einer allfälligen Rückkehr fröhliche Gesichter zu sehen, hole man sich das ok der Familie ein.“ Schönenberger wirft dem Verein auch die Aussage vor, dass der Vorstand sich einig sei, dass ein Nachsinnen über Schuld zwecklos und unangebracht wäre. Raimund Steinhoff entgegnete in einem Leserbrief und bezeichnete die angeprangerte Sprache als szenenüblich und in vielen alpinen Zeitschriften zu lesen.

Trauern in Ökumene?

In den Zeitungen wurde auch überlegt, ob es eine gemeinsame Trauerfeier geben sollte – manche der Toten waren katholisch, andere evangelisch und die Ökumene war 1983 noch nicht soweit fortgeschritten, dass eine ökumenische Feier als selbstverständlich angesehen wurde. Sie fand dann doch gemeinsam unter grosser Anteilnahme der Bevölkerung statt.
Im November 1983 erschien in der Gönner Zeitung der Schweizerischen Rettungsflugwacht eine Erinnerungsreportage des Helikopter Piloten Gerald Heidemann, der den ersten Helikopter zur Unfallstelle geflogen hat. Er schildert darin die Rettungsaktion als unverhältnismässig riskant, da im Nebel und Schneetreiben der Weg kaum zu finden gewesen war, und er nur mit Hilfe eines ortskundigen Bauern, der alle Hindernisse der Gegend genau kannte, geflogen werden konnte. Auch die Piloten und Ärzte, die an dieser Rettungsaktion beteiligt waren, haben ihr Letztes gegeben und unter Einsatz ihres Lebens gearbeitet.

Die Bergungskosten wurden vom Alpenverein Konstanz übernommen. Zuvor gab es noch einen Briefwechsel zwischen der Sektion Konstanz und dem DAV, wie ihre Verteilung zu handhaben sei, insbesondere, wenn bei einem allfälligen Schuldspruch Forderungen auf den Verurteilen zukommen würden. Schadenersatzforderungen könnten Werner Schillinger, gegen den Anklage erhoben worden war, wirtschaftlich in den Ruin treiben. Die Sorge war insofern unbegründet, als dass die Sektion Konstanz für alle von der Sektion ausgeschriebenen Anlässe eine Haftpflichtversicherung hatte. Eine juristische Unschärfe ergibt sich dort, wo die Gruppe der Überlebenden sich einerseits als private Gruppe mit Solidarhaftung bezeichnete, um nicht jemanden als Tourenleiter zu belasten, und anderseits allfällige Regressforderungen auf die Vereinshaftpflichtversicherung abwälzen wollte, um niemanden wirtschaftlich zu gefährden. Ausserdem wollte der Verein sich auch hinter seine Mitglieder stellen, da das Vereinswesen weitgehend davon lebt, dass Mitglieder für Kameraden Verantwortung übernehmen und Touren nach bestem Wissen und Gewissen organisieren. Ohne ehrenamtliche Tourenleiter ist keine Alpenvereinstätigkeit denkbar.

Raimund Steinhoff ging eine Woche nach dem Unglück ins Gebiet. Er sprach mit dem Bauern Christian Jenny, der die Gruppe gewarnt haben sollte. Er hat sie zwar von weitem aufsteigen sehen, doch hat er nie mit ihnen gesprochen. Raimund verlangte von der Bildzeitung eine Richtigstellung. Das Dementi nahm zwei Zeilen in Anspruch. Raimund hat neben dem Lawinenhang einen Rutschkeil in den Schnee gegraben, um den Schneedeckenaufbau zu überprüfen. Der Keil rutschte sofort spontan ab, das zeigt den besonders ungünstigen Schneedeckenaufbau an dieser Stelle auf. Auf einer Eislamelle lag Saharasand und eingeschneiter Rauhreif, auf dem der Neuschnee keinen Halt fand. So glitt die Neuschneedecke bei der ersten Störung durch die Tourengänger ab. Hätte die Sonne den Schnee durchfeuchtet, wäre die Verbindung zwischen den unterschiedlichen Schichten im Schnee nach einigen Tagen fester geworden. Doch bei der gegeben Hangneigung und Exposition bescheint die Sonne im Winter den Hang nie.
Zwei Tage nach dem Unfall, an einem Dienstag ging ich mit Freunden auf eine Skitour ins Berner Oberland. Die Woche danach ist mir als kalt, aber wolkenlos in Erinnerung geblieben. Wir unternahmen von der Lämmernhütte aus täglich Skitouren und mein Interesse galt verständlicherweise dem Schneedeckenaufbau. Im Berner Oberland setzte sich der Neuschnee vom Wochenende ziemlich schnell und verfestigte sich mit der Unterlage. Nur schattige nach Nord bis Ost gerichtete Steilhänge mit viel Triebschnee blieben gefährlich. Die Tour war schon lange abgemacht und ich dachte, für die Verarbeitung könne ich nichts Besseres tun, als gleich wieder in die Berge zu gehen und die schlechten mit guten Erlebnissen überdecken.

Gauenhütte - Raimund Steinhoff - Der losgebrochene Stein

Zum Dank für unsere Rettungsbemühungen wurden wir von der DAV Sektion Konstanz, der die verunfallte Gruppe angehört hatte, in ihre Clubhütte Gauenhütte im Montafon eingeladen, wo ich Raimund Steinhoff kennen lernte. Später haben wir einige gemeinsame Touren unternommen. Pollux, Grand Combin und auch kleinere. Fürs Gipfelfoto hatte er immer einen Kamm in der Tasche und auch bei –25 Grad und heftigem Wind auf dem Grand Combin, wo verschiedene der Tourenteilnehmer schon Erfrierungen an den Händen und im Gesicht hatten, legte er seine rotblonden Haare fürs Foto in einen akkuraten Scheitel. Raimund Steinhoff hat inzwischen alle 47 4000-er der Schweizer Alpen bestiegen. Er war 34 Jahre im Vorstand des DAV Konstanz, davon 10 Jahre als 1. Vorsitzender. Er ist heute ein rüstiger 76-jähriger. Seine Frau Erika ging in früheren Jahren eher auf leichtere Touren mit, später begleitete sie ihren Mann aber auch auf schwere Touren.
Im September 1987 hat Raimund mit seinem langjährigen Tourenbegleiter Georg Bernhardt eine Tour aufs Schreckhorn gemacht. Beim Abseilen lösste sich ein Haken oder eine Seilschlinge riss, und Georg Bernhardt stürzte 300 Meter tief auf den Gletscher. Raimund stieg ungesichert bis zu seinem Freund ab, der in der Nähe des Bergschrundes tot liegen blieb.
Auch einige der Hinterbliebenen waren auf der Gauenhütte dabei, ich erinnere mich an Angelika Stadelhofer, die ihren Mann Eugen Stadelhofer in der Lawine verloren hatte. Sie war eine kleine Frau mit rötlichem Kraushaar, die mich in ihrer ernsten Art beeindruckte.

Eine Anzeige wegen fahrlässiger Tötung

Eugen Stadelhofer war an diesem Sonntag als nichtberuflicher Tourenleiter für die Gruppe verantwortlich, er hatte eine Tour aufs Chüenihorn ausgeschrieben. Schon auf der Hinfahrt nach St. Antönien zögerte er zweimal und wollte umkehren. Seine Tourenteilnehmer überzeugten ihn, die Situation wenigstens vor Ort anzusehen. Auf dem Parkplatz in St. Antönien gab er die Führung der Gruppe ab, weil er die geplante Tour aufs Chüenihorn für undurchführbar hielt. Dann ging er einfach mit der Gruppe los, als normales Mitglied einer Gruppe von Bergsteigern in Solidarhaftung. Die Gerichtspraxis nimmt normalerweise an, dass derjenige mit der grössten alpinen Ausbildung oder Erfahrung automatisch die Verantwortung einer Gruppe trägt, die in Solidarhaftung etwas unternimmt. Das sind in erster Linie Bergführer, dann aber auch ausgebildete Tourenleiter der Alpenvereine, die sich in einem Unglücksfall einer Gruppe, der sie angehört haben schwerlich aus der Verantwortung nehmen können. In diesem Fall trug Eugen Stadelhofer die Verantwortung, doch er war in der Lawine ums Leben gekommen. So wurde gegen den nächsten Überlebenden in der möglicher Verantwortungshierarchie Anzeige wegen fahrlässiger Tötung in fünf Fällen erstattet. Es traf den Schreinermeister Werner Schillinger, der in der Lawine seine Ehefrau verloren hatte. Er wurde vom zuständigen Gericht unter den Überlebenden als der am besten ausgebildete Teilnehmer angesehen.

Die Vorstandsmitglieder waren sich einig, dass ein Nachsinnen über Schuld nicht nur zwecklos, sondern auch unangebracht gewesen wäre. Der Verein kümmerte sich mehr um die Hinterbliebenen als um die juristische Aufarbeitung und bemühte sich zu bewirken, dass die polizeiliche Untersuchung eingestellt wurde.
Am 29.12.83 liess die Staatsanwaltschaft Graubünden die Anklage gegen Werner Schillinger mit einer Einstellungsverfügung fallen. Ausführlich wird in dem Dokument erläutert, weshalb er nicht für das Unglück haftbar gemacht werden konnte.
Dass das Lawinenbulletin bei weitem nicht die real bestehenden Verhältnisse beschrieben hatte, sondern fälschlicherweise von geringer Lawinengefahr gesprochen hatte, wird zu seinen Gunsten ausgelegt. Die Kosten für die eingestellte Untersuchung betrugen Fr. 2206.40. Sie wurden je zu einem Fünftel, Fr. 441.30 dem Nachlass der Verstorbenen auferlegt. Die Überlebenden wurden nicht belangt. Die Rechnung setzt sich aus interessanten Einzelbeträgen zusammen, wobei auffällt, dass mit Fr. 920.—der grösste Posten für das Gutachten des Eidgenössischen Instituts für Schnee- und Lawinenforschung Weissfluhjoch Davos entfällt. Soviel wurde eingesetzt um das zum Unfallzeitpunkt völlig unzutreffende Lawinenbulletin zu erläutern. In der Rechnung der Staatsanwaltschaft gibt es einen A. Flütsch, der für seine Dienstleistungen Fr. 120.—verrechnete.

Einen oder zwei Sommer nach dem Lawinenunglück ging ich mit meiner Freundin zur Unfallstelle am Chrüz in der Hoffnung, die Bilder, die mich in Albträumen immer wieder heimsuchten, würden davon verschwinden. Doch das half nichts. Der Berg war im Sommer nicht der gleiche. Heidelbeersträucher überzogen den Hang. Im Sommer sah er lieblich und völlig harmlos aus. Die Bilder von den im Schnee Verschütteten erschienen weiterhin in meinen Träumen, das Gefühl von Stress, wie ich ihn beim Beatmen erlebt hatte, holte mich immer wieder ein. Richtig ruhig fühlte ich mich lange Zeit nur bei ganz konzentrierter Arbeit in meiner Töpferei oder wenn ich möglichst allein in den Bergen unterwegs war.
Nach 20 Jahren war die Tour aufs Chrüz bei unserer SAC Sektion als Skitour auf dem Tourenprogramm. Da ging ich mit. Ich erhoffte mir nicht viel, aber als ich den Stein sah, der zur Erinnerung an das Unglück errichtet wurde, er gleicht einer ganz kleinen Kappelle, und sah, dass im Giebelbereich bereits der Zahn der Zeit eine Steinplatte heraus gebrochen hatte, da fiel etwas von mir ab. Ich fühlte mich plötzlich ganz leicht. Der Ort verlor mit diesem Bild des langsam verfallenden Mahnmals seinen Schrecken. Dieser eine Stein, der aus einem Giebel heraus gebrochen ist, hat mich von den Albträumen erlöst. Seither habe ich nie mehr von dem Lawinenunglück geträumt.

27 Jahre später -
Ein Gespräch mit Erika und Raimund Steinhoff im August 2009

Das Ehepaar Steinhoff wohnt in einer kleinen Eigentumswohnung in einem Aussenquartier von Konstanz. Nahe am See, in einer ruhigen Wohngegend. Die Wohnung sieht so aus, als sei gerade das Möbelhaus vorgefahren und habe die Einrichtung akkurat hingestellt. Alles ist ordentlich, an den Wänden hängen Bergfotos. Einige zeigen den Sohn Michael, der Bergführer geworden ist, den Beruf aber aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann. Sie haben noch eine Tochter, Corinna, die mit ihrem Mann und zwei Kindern in der Konstanzer Altstadt wohnt.
Als ich anrief um ein Interview zu erbeten, waren sie sofort bereit, und so treffe ich sie wenige Tage nach meinem Anruf in Konstanz.
Wir setzen uns fürs Interview an einen Tisch mit Eckbank und einer gehäkelten Tischdecke drauf.
Erika reagiert auf meine Fragen oft schneller als Raimund und ergänzt manches, was er sagt. Inhaltlich sind sie aber in jedem Punkt kongruent.
Im Zentrum meines Interviews steht die Frage: Wie gehen die Familien mit der Nachricht vom Bergtod eines Angehörigen um? Aber unser Gespräch dreht sich auch um die vielen Unfälle, in welche die Sektion Konstanz mit ihren ca. 6000 Mitgliedern in den letzten Jahren verwickelt war. Daneben frischen wir Erinnerungen an gemeinsame Bergtouren auf und gleichen unsere Erfahrungen ab, in Bezug auf das Bergsteigen allgemein und speziell in Bezug auf dessen Gefahren.

Die Botschaft vom Tod

Raimund hatte damals die Aufgabe übernommen, die Angehörigen zu benachrichtigen. Er erzählt von dem Abend mit sichtlicher Erregung. Fritz Schaffheutle, der erster Vorsitzender, war so geschockt, dass er dazu nicht in der Lage war. „Ich bin dann zu den Leuten hingegangen. Der verunfallte Eugen Stadelhofer arbeitete als Schreinermeister im gleichen Betrieb wie ich. Er in der Werkstatt, ich im Büro, da haben wir uns sehr gut gekannt. Erika und ich fuhren von einer Familie zur Nächsten.“ Raimund erinnert sich, dass ganz verschiedene Reaktionen auf die Hiobsbotschaft kamen. „Manche hatten mit so was gerechnet, weil die Leute viel im Winter unterwegs waren. Andere waren geschockt.“
Erika erinnert sich, dass Christa Renkawitz total schockiert war. Ihr Mann Hans Peter Renkawitz hatte gerade eine lange, schwere Krankheit überstanden und verstarb kaum genesen in der Lawine. Dies erwähnte eine der Konstanzer Zeitungen in einem Nachruf.
Erika und Raimund sind also an jenem Sonntagabend ins Auto gestiegen um die Kunde von den verunfallten Bergkameraden zu deren Familien zu tragen. Eine schaurige Fahrt durch die von deutscher Gemütlichkeit geprägte Kleinstadt. Jede Familie wurde von ihnen persönlich informiert. Raimund legt im Gespräch lange Pausen ein. „Ja, wie haben die reagiert? Lore Schillinger ist ja im Schnee umgekommen. Die haben 3 Kinder, die waren fast erwachsen, so 15 bis 19. Sie waren an dem Abend alle zuhause. Erst waren die mal ganz still. Die sagten gar nichts, einfach nur geschwiegen haben die. Die konnten das erst mal gar nicht fassen dass die Mutter umgekommen ist.“ Raimund ergänzt: „Der Vater war ja auch in der Lawine und die Mutter ist umgekommen.“ Die Steinhoffs wollten an dem Tag auf den Piz Medel, und als Raimund gesehen hatte, dass es so warm geworden war, hat er die Tour abgesagt.

Dir Frage nach dem Sinn - Man braucht Distanz

Ich will von den beiden Steinhoffs wissen, ob sie sich in solchen Situationen nicht die Frage nach dem Sinn des bergsteigerischen Tuns stellen.
Raimund wiegt den Kopf, und sagt etwas nachdenklich: „Da kommen einem schon Bedenken und Vorsicht ist immer richtig. Wir sind seither viel vorsichtiger geworden.“ Er beteuert, dass er seither ohne den Lawinen- und den Wetterbericht konsultiert zu haben, auf keine Tour mehr geht. Doch die Bergsteigerei hinterfragt er in diesem Gespräch nie grundsätzlich. „Ich habe mich entschieden, nur noch auf Hochtouren auf Gletschern zu gehen, wo keine Lawinen kommen können.“ Erika: „Ja, stellen wir uns die Frage nach dem Sinn? Nein, ich glaube, wir gehen so gerne, dass wir einfach wieder gehen.“
Raimund ergänzend: „Ja, man geht wieder. Aber eine gewisse Zeit brauchte ich dann schon. Nach dem Unglück am Schreckhorn hätte ich eine Woche später eine Tour führen sollen, da war ich nicht in der Lage.“
Zwischen den Sätzen liegen oft längere Pausen, in denen die längst vergangenen Ereignisse heraufbeschworen werden, in denen aber die Gedanken auch zu anderen Bergabenteuern schweifen.
Erika nimmt den Faden wieder auf: „Ja das am Schreckhorn war für dich noch krasser.“ Denkpause. Ein anderer Freund der beiden, Heinz Kohler, der wie auch Georg Bernhardt mit dabei war auf der Tour am Grand Combin vom 1. Mai 1986, war am 27. Juli jenes Jahres am Westgrat der Kuchenspitze in relativ leichtem Klettergelände unangeseilt abgestürzt. Er hatte einen drogensüchtigen Sohn, den hatte er da rausgeholt, und der hat sich nach dem Tod des Vaters das Leben genommen.
Eine andere Frage, die mich interessierte, war wie der Tod von Bergsteigern in der Konstanzer Gesellschaft aufgenommen wurde. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden deutsche Bergsteiger oft als nationale Helden gefeiert. So wurden die Erstdurchsteiger der Eigernordwand von Hitler persönlich empfangen und geehrt. Ich wollte wissen, ob da noch so etwas wie eine Heroisierung stattfand und ob sie vielleicht eine Veränderung in der öffentlichen Wahrnehmung bemerkt haben.
Die Antwort von Raimund kam schnell: „Heroisierung? Glaub ich nicht, das ist doch vorbei.“ Erika ergänzte: „Heute denkt man eher an die Angehörigen.“ Damit war aber auch gesagt, dass es einmal anders gewesen ist.
Mit Werner Schillinger und Adolf Bäumle, die das Unglück am Chrüz überlebt hatten, sind Erika und Raimund in der Folge viel zusammen gewesen. Lange Spaziergänge ermöglichten es den beiden, sich auszusprechen. Erika ist sich sicher, dass die Leute, die viel und offen über ihren Verlust gesprochen haben, besser und schneller drüber hinweg gekommen sind, als Leute, die sich in der Folge verschlossen haben.
Die Hinterbliebenen des Lawinenunglücks am Chrüz bilden so etwas wie eine Schicksalsgemeinschaft, die sich nach einem Vierteljahrhundert langsam auflöst. Die meisten von ihnen treffen im Advent einmal zusammen, und gehen zusammen meist nach St. Gallen ins Theater.
Raimund erwähnt, dass es im vergangenen Jahr nochmals einen Gedenkgottesdienst gab, dass da aber nicht mehr alle Hinterbliebenen und Überlebenden gekommen sind. „Die Frau vom Dirk Feistkorn kam nicht, und Christa Renkawitz nicht, sie ist damals auch nicht zur Gauenhütte gekommen, sie sagte schon damals, sie wolle sich das nicht antun.“
Erika erinnert sich daran, dass Angelika Stadelhofer gleich nach der Benachrichtigung in die Schweiz fuhr. „Sie hat sich den Eugen noch vor Ort angesehen, bevor der Sarg zugemacht wurde. So ist Angelika. Die erzählt auch immer alles was sie fühlt und dann ist sie es los, das tut ihr gut und dann ist es fertig.“

Der Blick von aussen - Stört das Unverständnis?
Wir wissen ja, was wir tun

Die Frage nach der Wahrnehmung und der Beurteilung der alpinistischen Tätigkeit in der Bevölkerung und in der Presse beantwortet Raimund mit einem wegwerfenden Kopfnicken. „Viele betrachten das als Leichtsinn.“ Und Erika doppelt gleich nach: „Ja, vor allem nach dem Unfall von Georg. Warum geht der mit 60 noch aufs Schreckhorn? So hiess es an manchen Orten, auch wenn der Unfall mit dem Alter nichts zu tun hatte.“
Erika nimmt an, dass viele Leute schon denken, das sei wie eine Sucht, und dass die Berge die Menschen leichtsinnig machen. Raimund bestätigt, dass er auch schon Unverständnis begegnet ist, doch es scheint die beiden überzeugten Bergsteiger nicht zu stören. Zusammen sagen sie den Satz wie einstudiert: „Nein, ich würde sagen, die haben einfach keine Ahnung, die können das einfach nicht entscheiden. Nein, also das stört uns eigentlich nicht wirklich, wir wissen ja, was wir da tun.“
Meine Vermutung, dass sich hinter dem Alpinismus eine Todessehnsucht verbergen könnte weisen beide vehement zurück. „Todessehnsucht gar nicht! Bei uns nicht, da müsste einer schon Selbstmordabsichten haben. Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Nein, dann würden wir nicht gehen. Man bereitet sich vor und hat Spass daran.“
Der Gedanke an eine Lebensüberdrüssigkeit von Bergsteigern ist ihnen noch nie gekommen. „Man macht es für sein Leben und bereitet sich vor und hat Spass daran.“

Der Absturz am Schreckhorn - Ein alter Haken

Dann erzählt Raimund die Geschichte von vom Absturz von Georg Bernhardt am Schreckhorn.
Erika hatte damals keine Erfahrung mit Klettern in dieser Höhe. Ausserdem ist die Route über den Südpfeiler sehr ausgesetzt. Deshalb blieb sie in der Schreckhornhütte, während die Männer aufs Schreckhorn stiegen. „Also gereut hat es mich nicht wirklich, ich wusste, dass es schwer war. Die Männer haben gesagt, dass es laut Führer 7 Stunden sind bis zum Gipfel, das ist schon lang und in der Höhe und so sagte ich mir eben, dann lassen wir das. Ich habe vor der Hütte gesessen und gelesen.“
Raimund übernimmt das Wort: „Die 4000-er der Schweiz habe ich alle bestiegen, aber ausser beim Schreckhorn hatte ich nie Probleme......Das war bei der 3. Abseilstelle. Ich war schon weiter abgeklettert und hatte einen schlechten Stand. Da war ein Schneefeld, das habe ich gequert. Dann rief Georg: „Du hast ja einen Haken übersehen,“ den benützte er dann und hängte das Seil dort ein. Als er sich ins Seil lehnte, musste sich das dann gelöst haben, ich weiss nicht, ob der Haken nicht richtig gesteckt hatte oder eine Schlinge nicht gut war. Er stürzte an mir vorbei. Das Seil wirbelte weit in der Luft. Er hat noch geschrieen. Als Georg abgestürzt war, kam in mir eine gewisse Unsicherheit auf. Und zwar ein Zittern beim Klettern.“ (er zeigt, wie er vom Eindruck des Ereignisses zusammengekrümmt wurde und zitterte) „Mit Seilschlingen bin ich immer vorsichtig, wenn die nicht gut sind, können sie reissen. Wenn da vorher ein Seil abgezogen wurde, kann das die Schlinge versengen und dann hält die nicht mehr.“ Nach einer kurzen Pause fährt er in seiner Erzählung weiter: „Da war noch ein Bergführer mit zwei Gästen unterwegs, der hat dann die Rettung organisiert.“
Während Raimund seinen Gedanken nachhängt, führt Erika den Gesprächsfaden weiter: „Da dachte ich, warum bin ich plötzlich so unruhig? Und dann ging’s auch nicht lange, bis die Klienten vom Bergführer kamen und ich sie fragen konnte, warum sie alleine kommen. Die sagten, ihr Bergführer wollte das noch beobachten, was die andern da oben tun. Der Bergführer hatte gesagt, dass da oben was nicht stimmt. Dann kam auch gleich der Hubschrauber...“
Raimund: „Ja das waren zwei Hubschrauber, der erste war mit Gästen unterwegs, der flog gleich drüber hinweg, und der zweite war dann der Rettungshubschrauber.“
Erika war heilfroh, als Raimund dann aus dem Helikopter ausstieg. „Aber wie! Der konnte kaum mehr gehen... nass und ganz gebückt.“
Raimund: „Ja, ich war ganz nass, ich musste da einen Wasserfall queren und ich habe dann da oben gewartet. Ich war die ganze Strecke bis zum George abgeklettert. Die ganze Kante und dann die Rampe. Zwei Stunden habe ich gebraucht bis ich bei ihm war. Da habe ich ihn dann gefunden, wo er tot war. Der Bergführer hat beobachtet, dass nur einer von uns absteigt. Beim Raufklettern hatten wir kaum Schwierigkeiten. Normalerweise probiere ich immer ob die Haken richtig sitzen. - (Zeigt ein Bild vom Schreckhorn) Der Bergführer war auch oben, die waren aber im Abstieg schneller und er hat dann von unten gesehen, dass bei uns etwas nicht stimmte, weil nur einer abgestiegen war.“
Erika zeigt auf einem von Raimund gemalten Bild die Absturzstelle und den ganzen Weg, den Georg abgestürzt ist und die Kante, über die Raimund ungesichert abgeklettert ist.

Dynamik in der Gruppe?

Ich will wissen, wie sie die Gruppendynamik einschätzen, ob man vorsichtiger geht, wenn man allein ist und ob es so etwas wie einen Gruppendruck gibt. Die Reaktion kommt unerwartet heftig, zuerst von Erika: „Das geht schon los, wenn man losgeht, dann gehen sie schon alle schnell, sieht ja schlecht aus, wenn man als letzter geht. Und so geht das weiter. Jeder will zuforderst gehen. Wenn ich alleine gehe, frage ich mich ob ich das kann oder ob’s zu gefährlich wird.“
Raimund meint, keiner wolle kneifen, in der Gruppe fühle man sich wohler und besonders Männer melden in einer Gruppe nie Bedenken an, sondern wollen immer vorwärts gehen.
Raimund führt noch kleinere Touren, er hat Artrose in den Fingern und kann so nicht mehr klettern. „So kann ich nicht mehr zum Matterhorn hoch. Skitouren, das geht noch und wandern.“
Jede Woche treffen sie sich mit dem Alpenverein. Einmal zum Wandern und einmal zum Radfahren. Klettern strengt sie mehr als früher.

Am Abend

Nach dem Besuch bei ihren Eltern treffe ich noch die Tochter Corinna Steinhoff. Als ich sie frage, wie ihr Vater damals auf den Unfall am Schreckhorn verarbeitet hat, ruft sie laut aus: „Ja da wurde er erstmals in seinem Leben menschlich! In Ihm hat Unfall eine Veränderung ausgelösst, dass er auf die Pflege von Sachwerten weniger Energie verwendet und sich vermehrt um Menschen kümmert, sich den Enkeln widmet und gelernt hat, auch mal eine Fünf gerade sein zu lassen.“

Dienstag, 6. Oktober 2009

Eine Vorrede zur Masterthesis

Der Umgang mit dem Tod im Alpinismus

Tobias J. Humm

Preface


Das Thema meiner Masterthesis ist, obschon an einer Kunsthochschule eingereicht, nicht eines das sich in erster Linie mit Kunst befasst, sondern mit Kultur in einem allgemeiner gefassten Sinn. Ich will einige Merkmale einer speziellen gesellschaftlichen Verhaltensweise anschauen und interpretieren. Das gewählte Feld ist der Umgang mit dem Tod im Alpinismus in allen seinen Ausprägungen.


Während im alltäglichen Leben möglichst jedes Risiko vermieden oder doch wenigstens versichert wird, wird im Alpinismus genau dieses Risiko gesucht, und die Grenzen des gerade noch Machbaren werden mit gezieltem Training und einer sich ständig verbessernden Technik immer weiter hinausgeschoben. So werden Berg
e besteigbar, die vor Jahrzehnten noch als unbezwingbar gegolten hatten, und Routen die vor kurzem noch mehrtägigen Expeditionen glichen, werden von Spitzenkletteren in wenigen Stunden durchrannt.


Ein ständiger Begleiter bei den immer höheren Schwierigkeiten, die dabei gemeistert werden ist der mögliche Tod. Kein noch so gutes Seil, kein noch so hartes Training und auch nicht die modernsten Wetterberichte vermögen das Risiko eines Absturzes, einer Lawine, oder eines lebensbedrohlichen Wettersturzes je völlig auszuschalten.


Ist es so, dass Menschen, die in ihrer Freizeit auf Berge steigen und dabei hohe persönliche Risiken auf sich nehmen, die Gefahr die mit ihrem Tun einhergeht, einerseits suchen und andererseits verdrängen?
Suchen sie, in dem sie auf möglichst schwierigen Routen durch Wände steigen oder über Grate klettern, in möglichst grosser Höhe ohne künstlichen Sauerstoff versuchen auszukommen und mit möglichst wenig Material und Sicherung möglichst grosse Schwierigkeiten zu überwinden nicht anderes als diese Lebensgefahr?
Wird dabei die Nähe eines möglichen Absturzes nicht vermieden sondern gesucht?
Wenn aber ein Unglück geschieht, und jemand aus einer Gruppe sich tödliche Verletzungen zuzieht oder gar eine ganze Gruppe von Bergsteigern abstürzt, in einer Lawine begraben wird oder in grosser Höhe erfriert, wie wird dieses Ereignis, das in den Medien meist grosse Aufmerksamkeit erregt, von der betroffenen Gemeinschaft verarbeitet? Wird es nicht einfach aus dem Bewusstsein verdrängt?


Geschieht die Verdrängung nicht einfach dadurch, dass niemand darüber spricht, und dass der Tod eines Bergkameraden ganz einfach als Teil des Spieles in dieses integriert wird?
Dass die Ursachen des Unfalls analysiert, und Schlussfolgerungen gezogen werden. Werden nicht gleichentags aus dem Gefühl der Sicherheit, dass man jetzt weiss, was der verunfallte Freund falsch gemacht hat, die Schwierigkeiten der Routen erhöht, so dass eigentlich bei höherem Wissen um die Gefährlichkeit und besserem Einblick ins Gefahrenpotential des Tuns die gleiche objektive Gefahr in Kauf genommen wird?
Also wird nicht einerseits ein Risikomanagement betrieben, das garantieren soll, dass das Risiko klein gehalten wird, andererseits werden die angegangenen Schwierigkeiten ständig erhöht, um die Nähe des Todes trotzdem zu spüren?


Um den Themenkreis zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf die Geschichte der Wahrnehmung der Berge von der Antike bis heute.

Warum ist der Sitz der griechischen Götter auf dem höchsten Berg des antiken Griechenlands?
Warum erhält Moses die Gesetzestafeln auf dem Sinai, und warum geht Jesus zur Bergpredigt, wo er seine radikalsten Gedanken
verkündet, auf einen Berg?

Die Berge wurden von alters her mythisch überhöht und mit Bedeutung aufgeladen, und so ist auch der Tod in Bergen in der Anfangszeit des Alpinismus, im 19. Jahrhundert noch von mythischen Verklärung geprägt.
Ende des 20. Jahrhunderts nimmt die Verklärung klar ab eine nüchterne Betrachtung macht sich breit.
Der Tod in den Bergen wird zunehmend als Teil der Alltagskultur, der Freizeitkultur dargestellt.

Donnerstag, 1. Oktober 2009







Donnerstag, 24. September 2009



Selbst auf dem Stadtgebiet von Zürich gibt es Bergtote. 
Nicht nur in der berüchtigten Fallätsche oberhalb von Leimbach sondern auch auf dem normalen Üetlibergweg stürzten schon bekannte Alpinisten ab. 
Dies berichtete die NZZ a, 3.10.08

Montag, 14. September 2009

Himalayastatistik
nach Elizabeth Hawley und Jan Kielkowski


Annapurna (8.091 m)
Der gefährlichste Achttausender

Die "Göttin der Ernte"


Die Annapurna wurde zwar schon 1951 als erster Achttausender erstbestiegen. Und sie ist mit 8.091 Metern fast 800 Meter niedriger als der Welthöchste. Doch ihre Gefahren sind vielfältig. Sogar die "Normalroute" von Norden her ist durch extreme Lawinenhänge, Gletscherbrüche und Eisstürze bedroht. Annapurna bedeutet in der Sprache Einheimischer "Göttin der Ernte". Auf ihrem Gipfel standen bisher nur 106 Menschen. Insgesamt kamen bei Besteigungen, Versuchen, Auf- und Abstiegen an der Annapurna 55 Menschen ums Leben. Das heißt: Auf zwei erfolgreiche Besteigungen kommt ein Todesopfer.

Die Statistiken basieren auf Chroniken von Elizabeth Hawley (Kathmandu) und Jan Kielkowski. Hawley dokumentiert seit Jahrzehnten die Fakten für den Himalaya Nepals, ihr Kollege die Achttausender in Pakistan und Tibet. Die Datenreihen reichen von Albert Frederick Mummery auf dem Nanga Parbat (1895) bis zum heutigen Massentourismus auf dem Everest (Stichtag 31. Dezember 2000).


Berg /Höhe m/ Gipfelerfolge / Todesfälle

Mt. Everest /8850 / 1.314 / 167
Cho Oyu / 8201 /1.211 / 28
Gasherbrum II /8035/ 520 /16
Dhaulagiri / 8167 / 298/ 55
Broad Peak /8047 /233 / 18
Manaslu / 8163/ 198/ 51
K2 /8611 / 189 /49
Nanga Parbat / 8125 / 186/ 61
Shisha Pangma /8027 /180 /19
Makalu /8463/ 167 / 20
Gasherbrum I/ 8068 / 162 / 17
Kantschendzönga /8586 / 162 / 39
Lhotse/ 8516 / 151/ 9
Annapurna / 8091/ 109/ 55
Gesamt / 5080 / 604

Daraus ergibt sich, dass im Schnitt auf 100 Gipfelbesteigungen 8,41 Bergsteiger ihr Leben lassen, oder dass die Überlebenschance bei etwa 1 : 12 liegt. Will man also alle 14 Achttausender besteigen, brauch man mehr als die statistische Überlebenschance.
Das wird in der alpinen Szene nicht ausgeblendet, sonder ist den Höhenbergsteigern durchaus bewusst. Gerne umgeben sich Höhenbergsteiger mit dem Mythos des Besonderen, des Abenteurers.

"Killerberge" und Publikumsmagneten
Der Nanga Parbat folgt in der bitteren Statistik der Todesopfer an den Achttausendern – mit einem Verhältnis zwischen Toten und Gipfelerfolgen von 1:3,1 - hinter der Annapurna an zweiter Stelle. Erst an dritter Stelle steht der gefürchtete K2 mit einem Verhältnis von 1:3,4. Vierter ist der Manaslu (1:3,7) mit seinen gefährlichen Lawinen. Der von der Boulevardpresse und sogar von Fachmedien so ausgeschlachtete Mt. Everest kommt bei der Gefährlichkeit unter allen 14 Riesen erst an siebenter Stelle (1:7). Das hat unter anderem mit dem heute fast hemmungslosen Einsatz von künstlichem Sauerstoff und der Hilfe durch Hochträger, Bergführer und Sherpa-Hochträgern zu tun.

Weniger gefährliche Achttausender
Das geringste Todesrisiko hat der Cho Oyu mit einem Toten gegenüber 47 erfolgreichen Besteigungen. Er wird deshalb am stärksten vermarktet. Danach folgen der Gasherbrum 2 und der Zentralgipfel des Shisha Pangma (1:31). Der nur wenige Meter höhere Hauptgipfel des Shisha Pangma ist risikoreicher und daher viel seltener bestiegen (1:9). Dann folgen Gasherbrum 1 (= Hidden Peak) mit 1:10 und Broad Peak mit 1:12.

Lhotse ist das Mauerblümchen
Der Lhotse ist als direkter Nachbar des Mount Everest ein Spezialfall. Er zählt mit 8.516 Metern zu den "hohen" Achttausendern. Sein Gipfel ragt südöstlich des South Col weit in die Todeszone. Nach der Annapurna gibt es hier die insgesamt wenigsten Besteigungen, nämlich nur 129. Obwohl der Lhotse eine schöne, eigenartige Form aufweist und alpinistisch von mehreren Seite spannend wäre, interessieren sich fast alle, die in die Region kommen, ausschließlich für den direkt benachbarten Mount Everest als Gipfel aller Eitelkeiten. "Sie laufen am Lhotse achtlos vorbei", so beschreibt es dessen Erstbesteiger, der Schweizer ERNST REISS in einem Interview gegenüber GERALD LEHNER. Reiss und Fritz Luchsinger erreichten 1956 erstmals den Gipfel.
Hier ein Artikel von Oswald Oelz aus dem Tages Anzeiger. Oelz ist ein erfolgreicher Spitzenbergsteiger mit Besteigungen der höchsten Berge auf allen Kontinenten. Ausserdem war er Chefarzt des Zürcher Triemlipsitals und ist ein scharfzüngiger Schreiber und Vortragsredner.
Sein neuestes Buch "Mit Eispickel und Stethoskop" geht der Frage nach dem Sinn des Bergsteigens nach. Er kommt zu einem Schluss, der sich etwa so zusammenfassen lässt: "Es ist absoluter Unsinn, macht aber furchtbar Spass."
Seine Seite ist: http://www.oswald-oelz.ch/index.php

Donnerstag, 10. September 2009



Chrüz St. Antönien. 9.9.09

Mehr als 26 Jahre nach dem Unfall am Chrüz vom 27.2.1983 gehe ich mit meiner Studienkollegin Gabriele zum Chrüz, wo sich zwei schwere Lawinenunglücke ereignet haben.
Beachte das Interview mit Raimund und Erika Steinhoff in diesem Blog.



Die Tafel, die die Sektion Konstanz DAV hat anbringen lassen, erinntert auch an die Opfer des Unglücks von 1947.

An dem verhängnisvollen 27. Februar 1983 stieg ich mit einer Gruppe von St. Antönien auf.
Der Lawinenbericht fürs Wochenende war im damaligen System der Gefahreneinstufung auf Stufe 3. Mässige örtliche Schneebrettgefahr. Kammnahe Steilhänge mit Triebschneeansammlungen können zu vereinzelten Lawinenabgängen führen. Unter dieser Gefahrenstufe gab es die Stufe 1: Keine Lawinengefahr, die gibt es nur, wenn kein Schnee liegt, und geringe örtliche Lawinengefahr. Die wurde nur an ganz wenigen Tagen pro Jahr erklärt, in manchen Jahren gar nie.
Eine weitere Schwierigkeit der Gefahrenabschätzung war, dass die Bulletins des Schweizerischen Instituts für Schnee und Lawinenforschung in Davos sich nur auf Gelände unter 2500 m.ü.M. bezogen, Skitouren aber häufig über diesem Bereich durchgeführt werden. Bei der gegeben Einstufung des Institutes hätte also eine nach alpinistischen Einschätzungen geringe Gefahr herrschen sollen, eine Lawine auszulösen. Doch dann kamen zwei Faktoren ins Spiel, welche die Sachlage grundlegend veränderten:
1. liegt die Mulde am Chrüz nach NO gerichtet, bekommt im Winter nie Sonne, so dass sich die Schneedecke nicht verfestigen kann. Durch die NO Lage wird bei Westwind Triebschnee, der eine sich schlecht verbindende kugelige Struktur hat, in die Mulde eingeweht, wo sie an den Hängen im Luv, der vom Wind abgekehrten Seite des Berges, liegenbleibt. Dadurch erhöht sich die Gefährlichkeit zusätzlich.

Auf dieser Karte habe ich den Aufstiegsweg und den Bereich eingezeichnet, wo die Lawine abgegangen ist.

2. Am 27.Februar erreichte eine Warmfront die Alpennordseite, die Temperatur stieg gegen null Grad und heftiger Schneefall auf eine mit einer Eislamelle überzogenen Schneedecke verlangten nach einer grundlegenden Neubeurteilung.

Zwei von unserer Gruppe wollten sich an dem Tag auf dem Gipfel verloben. Bei der Alp Valpún treffen wir auf eine fröhliche Gruppe deutscher Skitourengänger, die wir vorher schon von weitem gesehen haben, wie sie in Einerkolonne eine Spur durch den Wald gezogen haben. Wir plaudern miteinander, machen Scherze und sprechen kurz über die Route. Dann steigen die Deutschen, die sich für den Westgrat entschieden haben im dichten Nebel und Schneefall weiter. Auch wir brechen kurz darauf auf. Der Neuschnee ist mit der Unterlage nicht verbunden, sobald ein Hang etwas über 30 Grad steil ist, rutscht er auf der eisigen Unterlage weg. Als wir auf dem Nordostgrat, wo der Neuschnee weitgehend weggefegt ist, etwa die Hälfte des Weges zurückgelegt haben, sieht unser vorderster Mann durch den aufreissenden Nebel, dass am Gipfel eine Lawine niedergegangen ist. Er geht etwas näher an den Gratabbruch und sieht jemanden mir einer roten Jacke, dessen Beine im Schnee stecken, auf einem riesigen Lawinenkegel um Hilfe rufen. Von seinen Kameraden keine Spur. Sofort versuchen wir zu ihm hinunter zu fahren, was aber in den steilen Hängen nicht geht, da diese sofort wegrutschen und drohen, auch uns zu verschütten. Wir müssen eine kleine Strecke zurück abfahren und dann wieder aufsteigen. Dabei geht wertvolle Zeit verloren. Wir schicken zwei gute Skifahrer ins Tal, um Hilfe zu organisieren. Von unserer Gruppe sind einige nicht in der Lage, sich um de Verletzten zu kümmern, sie sind zu sehr geschockt und bräuchten selber Betreuung. Als ich selber zur Unfallstelle komme, hat der erste, der sich selber befreien konnte, schon einen Kameraden soweit freigelegt, dass er atmen konnte, und bei einem weiteren hatte er angefangen den Kopf auszugraben. Bald finden wir mit den Verschüttensuchgeräten VSL weitere Verschüttete und graben sie mit den Lawinenschaufeln, die zu jeder Skitourenausrüstung gehört, aus. Nur die ersten drei haben noch eine spontane Atmung, die nächsten haben schon Herz- und Atemstillstand. Alle haben den schweren Schnee in Nase und Mund gedrückt, so war kein einziger Atemzug möglich. Einen Mann von diesen können wir ins Leben zurückholen, er fährt am Abend sogar mit dem Auto heim nach Konstanz.
Beatmen ist an toten oder tief ohnmächtigen Personen erstaunlich schwierig, da ihre Gesichtsmuskulatur ausweicht und keinen Widerstand gibt. Den Kiefer vordrücken, die Lippen aufeinander zu pressen, damit die Luft nicht durch den Mund entweicht und durch die Nase Luft in den Körper zu blasen ist viel schwieriger als im Erste Hilfe Kurs. Ausserdem kann man sich im klumpigen Lawinenschnee nicht richtig hin kieen, man bekommt in einer meist verdrehten Lage selber kaum Luft. Wenn ein Kollege dann für die Herzmassage dreimal nacheinander kräftig auf den Brustkorb des Verunfallten drückt, spritzt einem dessen Mageninhalt ins Gesicht. Nach kurzem muss ich mich gegen kräftigen Brechreiz wehren, doch ich kann die ganze Zeit über an mich halten. Wir haben vier Personen zu versorgen, bis jemand ruft, eine Person fehle noch. Ich stehe auf, und übergebe meinen Platz jemandem. Beatmen ist sehr anstrengend, man braucht Pausen. Mit dem VSL war schon gesucht worden, ohne Erfolg. Die Deutschen haben VSL des Systems Pieps, das auf einer andern Frequenz arbeitet, als das Schweizer Barryvox. Daher müssen wir mit ihren Geräten suchen. Pieps ist auch nicht so zuverlässig wie Barryvox. Da man im Lawinenschnee nicht richtige gehen kann und ständig einbricht und stürzt reisst es einem auch die Ohrhörer, die zum Pieps gehören aus den Ohren. Wenn man wieder steht, hat man die Richtung verloren, in der man gesucht hat und die Ohrhörer sind voll Schnee und geben kein klares Zeichen mehr her. Ich bin mir sicher, dass an einer Stelle noch eine Person liegt und fange rein von der Intuition gesteuert an zu graben. Bald stosse ich in der Nähe eines Person, die zwar noch grösstenteils verschüttet ist, aber selbständig atmet auch auf einen Skischuh, ich denke, der müsste zu dieser Person gehören, dann müsste sie aber das Bein sehr schmerzhaft verdreht haben. Doch bald zeigt sich, dass es die noch gesuchte Person ist.
Erst nach zwei Stunden kommt der Helikopter langsam durch den Nebel. Sofort springt ein Regaarzt aus der Maschine und kommt zu uns. Er sieht, dass es viel mehr Verletzte Personen gibt, als er erwartet hat, und fängt hektisch mit Untersuchungen an. Bei zwei Verschütteten sieht er noch Hoffnung auf Rettung, da ihre Pupillen noch auf das Licht seiner Taschenlampe reagieren. Seine Versuche zur Reanimation mit einem Defibillrator zeigen aber keine Wirkung, obwohl sich die Personen unter dem Stromstoss aufbäumen und die eine danach einen spontanen Atemzug andeutet.
Die beiden Personen, bei denen noch eine gewisse Hoffnung auf Rettung besteht, werden in den Helikopter verladen und fliegen mit dem Arzt ins Spital Schiers. Dort wurde dann später nur noch ihr Tod festgestellt. Wir sind wieder allein und müssen versuchen die verblieben Unfallopfer soweit es unsere Kräfte erlauben, weiter zu beatmen. Ein weiterer Heli kommt über die Krete geflogen und mit ihm ein Arzt aus dem Tal. Er ist ruhig, was auch uns eine gewisse Sicherheit und Ruhe zurückgibt, er fragt auch, wie es uns gehe, dann werden die Personen, die wir bis dahin unter Aufbietung unserer ganzen Kräfte beatmet haben auf Bahren in den Helikopter geladen. Der Heli vom Typ Alouette 3 hat zwei Halterungen für Bahren, einige Mitglieder unserer Gruppe fliegen noch mit hinunter, einige fahren mit den Ski ins Tal. Dann kommt der Heli ein drittes Mal, wir laden den letzten Toten ein. Inzwischen hat der Arzt das Zeichen gegeben, mit Beatmen aufzuhören, da keine Aussicht mehr bestand, sie zum Leben zurück zu holen. Ich steige mit noch zweien ein und komme zu meinem ersten Heliflug. Das Wetter hat sich in der Zwischenzeit soweit gebessert, dass der Heli normal auch Sicht fliegen kann und sich nicht mehr wie beim ersten Anflug mit Hilfe eines Bauern aus der Gegend von Baum zu Baum tasten muss. Auf dem Parkplatz von St. Antönien landen wir. Eine Menge Leute steht dort und schaut uns betreten zu, wie wir den Toten ausladen und ins Hotel Weisses Kreuz hinüberbringen. Ein Dicker Mann in einer jagdgrünen Heli Hansen Jacke will fragen stellen, doch wir sind zu erschöpft um zu sprechen. Ein Mitglied aus unserer Gruppe nimmt uns zusammen und schirmt uns von Fragen ab. Im Hotel Weisses Kreuz werden wir versorgt, der Heli fliegt mit einem Polizisten zur Unfallstelle. Im Saal neben dem Raum. Wo wir verpflegt werden, liegen die Toten auf den Tischen. Ihre Gesichter sehen völlig entspannt und friedlich aus. Ich rufe meine Eltern an um sie zu informieren. Sie wissen schon, dass ein Lawinenunglück passiert ist, sind aber nicht beunruhigt, weil sie unserer Vorsicht vertrauen.
Am Abend fahren wir heim. Mit Postauto und Bahn.


Der Gedenkstein auf dem Chlei Chrüz erinnert an der Stelle, wo die Lawine abgegangen ist, an die beiden schweren Lawinenunglücke, die sich hier ereignet haben. Elf Menschen sind dabei umgekommen.

Nie hat jemand gefragt, wie es uns geht, ob wir die Eindrücke verarbeitet hätten. Ich träumte während Jahren von Bildern, der in der Lawine verschütteten und als ich einmal in einem Eisenbahnabteil Kotze roch, geriet ich in Panik. Einen oder zwei Sommer später ging ich mit meiner damaligen Freundin zur Unfallstelle in der Hoffnung, die Bilder würden davon erschwinden. Doch das half nichts. Nach 20 Jahren war die Tour aufs Chrüz bei unserer SAC Sektion auf dem Tourenprogramm. Da ging ich mit. Ich erhoffte mir nicht viel, aber als ich den Stein sah, der zur Erinnerung an das Unglück errichtet wurde, er ist wie eine ganz kleine Kappelle, und sah, dass im Giebelbereich bereits der Zahn der Zeit genagt hat, da fiel etwas von mir ab. Ich fühlte mich plötzlich ganz leicht. Dieser eine Stein, der aus einem Giebel herausgebrochen ist, hat mich von den Albträumen erlöst. Seither habe ich nie mehr von dem Lawinenunglück geträumt.

Mit Gabriele plaudere ich beim Wandern und erzähle ihr was mir aus der Erinnerung aufsteigt.


Für mich ist es inzwischen ein normaler Berg geworden, mit einer speziellen Geschichte und einer nach NO gerichteten Mulde, die schon elf Menschen das Leben gekostet hat.

Donnerstag, 3. September 2009


Absturz am Guferjoch

Hier am Guferjoch ist am 25. Juli 09 ein Bekannter von mir bei einer einsamen Kletterei zu Tode gestürzt. Er war ein sehr erfahrener Alpinist und muss kurz vor Ende der Tour hier beim Abstieg abgestürzt sein.


Das Gwächtenhorn mit seinem imposanten Eisbuckel.

Hier sieht man das Wendenhorn der Blick geht auf den  Südostgrat. Links davon die Fünffingerstöcke, die bei dem herrlichen Wetter am Dienstag alle Finger - mehr als fünf - von sich gestreckt haben.
Der besonnte Grateinschnitt links im Bild ist das Guferjoch von Osten.



Am 1.9.09 besuche ich den Sutenlochspitz, wo vor ca. 4 Wochen T.G. abgestürzt ist.
Ein Jäger, den ich beim Aufstieg antreffe, erwähnt den genauen Ort, das Guferjoch auf ca. 2500 m.ü.M.


Das Guferjoch ist ein Übergang auf dem Weg vom Sustenpass zur Sustlihütte. Ein weiss – blau – weiss bezeichneter Bergpfad führt durch eine wilde Landschaft, über Reste der abschmelzenden Gletscher und über festes, wie auch sehr brüchiges Gestein. Der Grat, der vom Guferjoch hinauf aus den Sustenlochspitz führt, scheint schon von Weitem nicht von gutem Fels zu sein. Er wird im Führer mit –IV 2 ½ Std. ab Einstieg angegeben, im unteren Teil grasig, im obern Teil lohnend.
Ich steige vom P. 2130 an der Sustenstrasse hinauf, über Schafweiden und dann weiter über den kompakten Granitgrat, der weder direkt zum Guferjoch führt, noch in Richtung Sustenpss abzweigt.
Im Süden protzt das Gwächtenhorn mit seinem scheinbar unvergänglich Gletscherleuchten, das Eis zieht in einem eleganten Bogen zum Sustenhorn, dessen Gipfel aber nach Norden hin seine dunkle Seite zeigt. Auf einem Felssporn sitzt wie eine Fliege auf der Nase eines Riesen die Trifthütte, zu beiden Seiten umflossen von zerschrundeten Gletschern. Todesmutig stürzt sich der Steingletscher in die Tiefe des Haslitales, dessen warmer Empfang ihm gar nicht wohl bekommt. Er verwandelt sich zuletzt in eine braune, schmutzige Masse, ein Gemisch von Eis und Geröll, die keinen klaren Übergang zwischen den Elementen mehr zulässt.
Von einem schönen Aussichtspunkt auf 2550 m.ü.M. blicke ich hinüber zum Guferjoch und überlege, was da wohl passiert sein könnte. Der kleine, von Geröll übersäte Gletscherfirn, der sich bis dicht unters Joch hinzieht, dürfte mit den eingeschlossenen Steinen genügend Halt bieten um darauf sicher den Übergang zum festeren Fels zu schaffen. Der Übergang selbst sieht steil aus, doch entdecke ich mit dem Feldstecher eine geschwungene Linie über dem Fels. Offenbar ist er mit einem Seil oder einer Kette gesichert. Ich steige mehr oder weniger entlang der weiss – blau – weissen Routenmarkierung in Richtung Guferjoch, der Weg führt über Eis und viel brüchigen Fels, wo ich hintrete rollt etwas unter meinen Füssen in die Tiefe, nichts scheint hier mehr Beständigkeit zu haben, alles ist in Bewegung. Beim Guferjoch selber legt sich der Fels etwas weiter zurück als es von weitem den Anschein gemacht hatte und wie oft auf hochalpinen Routen sieht es von Nahem weniger schwierig aus als aus der Ferne. Doch ausser den paar vom Gletscher rund geschliffenen Granitwülsten, die es entlang der Kette zu übersteigen gilt, scheint sich der Berg hier von seiner äusseren Haut befreien zu wollen. Was nicht in seiner kugeligen Urform gewahrt wird bricht auf, zersplittert und stürzt in die Tiefe, bis es auf andere Brocken trifft, die den weitern Absturz für eine kurze Weile verhindern. Der Berg scheint sich von sich selbst befreien zu wollen. Kein Stein, auf den ich trete, bleibt wo ist, jeder noch so mächtige Brocken, dem ich meinen Tritt anvertraue, fängt an zu schwingen, gerät einer ins Rutschen, reisst er gleich noch die Steine über sich mit in die Tiefe, denen er ein Weiterstürzen verhindert hatte, und die nun ohne einen fremden Halt ihre Reise zu Tale fortsetzen. Über diese lose Landschaft steige ich hoch bis ich festen Fels unter den Füssen habe. Hier muss T.G. nach einem Sturz von 20 bis 30 Metern über ziemlich glatte Granitwülste wohl aufgeschlagen haben. Mitten in diesem von Geröll und Felssplittern übersäten Eisfeld muss sein Körper zu liegen gekommen sein. Er muss stark geblutet habe. Knochen gebrochen haben. Ob er sofort tot gewesen ist kann ich nicht abschätzen, mit etwas Glück haben Bergsteiger schon höhere Stürze überlebt, doch hier wird der abstürzende Körper nicht von einem weichen Schneefeld empfangen, keine flockigen Staubwolken aus frischen Pulverschnee umfangen den zerbrechlichen menschlichen Körper, sondern eine schafkantige, erbarmungslose Härte, auf die ein Körper mit Wucht aufschlägt. Auf dem rauhen Fels wird er zerschunden, in den weichen menschlichen Körper graben sich spitze Steine ein, zerreissen ihn, zermahlen ihn schlagen mit ihm stürzend auf ihn ein und auch moderne Bekleidung oder ein Helm bietet nur weinig Schutz wenn ein Mensch Teil einer zu Tale stürzenden Masse aus Fels und Schutt wird. Ich gehe auf dem Firn umher, bis ich unter einem der Steine, die sich hier ins Eis eingeschmolzen haben, eine eineinhalb Liter Petflasche finde. Sie ist zusammengedrückt und sieht ziemlich mitgenommen aus. In der verblieben Höhlung ist eine braune Flüssigkeit, die sich beim Riechen als Eistee definieren lässt. Ist das T.G.’s Flasche gewesen? Wer lässt seine Trinkflasche liegen? Wer nimmt sie auf dem Weg zur Sustlihütte auf oder in Richtung Sustenpass auf nicht mit? Vielleicht ist sie jemandem vom Joch aus heruntergefallen, der sich nicht die Mühe machen wollte nochmals vom festen Granit aus zu den in Umwälzung befindlichen losen Brocken hinunter zu klettern. Es wäre auch denkbar, dass es die Flasche von T.G. war, dass er beim Trinken ausgerutscht ist , die Flasche schon fast zugedreht, er drauf gefallen und sie seinen Sturz noch etwas gedämpft hatte. Vielleicht hat auch nur jemand die Flasche vergessen einzupacken.



Auf dem Friedhof Göschenen fand ich diese schöne Broncetafel.
Ob Joseph Maria Gamma in den Bergen verunfallt ist, oder an etwas anderem gestorben ist geht aus der Schrift nicht hervor, allerdings deutet die Tatsache, dass er so als Bergführer, als treuer Freund und Gefährte beschrieben wird, auf einen Zusammenhang mit dem Beruf hin.

Montag, 31. August 2009

Interview Raimund und Erika Steinhoff Konstanz


Ich kenne Erika und Raimund Steinhoff seit einem Lawinenunfall am Prättigauer Chrüz vom 27. 2.83. Raimund war damals nicht in der verunfallten Gruppe dabei, war aber als 2. Vorsitzender der Sektion Konstanz des Deutschen Alpen Vereins und als Schriftenführer für die Aufarbeitung und Dokumentation des Unfalles verantwortlich.

Ich war damals in der Gruppe Schweizer Tourenfahrer, welche die Rettung und Bergung der deutschen Gruppe durchgeführt hat. Als Folge und zum Dank wurden wir von der Sektion Konstanz in ihre Clubhütte Gauenhütte im Montafon eingeladen, wo ich Raimund kennen lernte. Später haben wir einige gemeinsame Touren unternommen. Pollux, Grand Combin etc.
Der Unfall am Chrüz füllte die Medien, waren doch 5 Bergsteiger dabei umgekommen unter ihnen der erste Staatsanwalt von Konstanz. Die Meldungen erweisen sich als weitgehend unexakt, zum Teil erfunden, Zeugen wurden Aussagen in den Mund gelegt und Bauer Jenni wurde von einigen Zeitungen schlicht zum Zeugen gemacht. Er soll die Gruppe gewarnt haben, was gar nicht möglich war. Er war zum entsprechenden Zeitpunkt oben am Skilift an der Arbeit und die Konstanzer Gruppe hatte den Skilift vor der Bergstation verlassen.

Raimund Steinhoff hat alle 47 4000-er der Schweizer Alpen bestiegen. Er war 34 Jahre im Vorstand des DAV Konstanz, davon 10 Jahre als 1. Vorsitzender. Er ist heute ein rüstiger 76-jähriger. Seine Frau Erika ging in früheren Jahren eher auf leichtere Touren mit, später begleitete sie ihren Mann aber auch auf schwere Touren. So blieb sie am Schreckhorn nur aus Vernuftsgründen in der Hütte, weil eine Dreierseilschaft zu langsam gewesen wäre. Raimund ging mit seinem Freund Georg Bernhardt als Zweierseilschaft.

Im September 1987 hat Raimund Steinhoff mit seinem langjährigen Tourenbegleiter Georg Bernhardt eine Tour aufs Schreckhorn gemacht. Beim Abseilen lösste sich ein Haken oder eine Seilschlinge riss, und Georg Bernhardt stürzte 300 Meter tief auf den Gletscher. Die ganz genaue Unfallursache wurde nie geklärt, es war aber ein klarer Abseilunfall. Raimund stieg ungesichert die 300 Meter bis zu seinem Freund ab. Erika wartete in dieser Zeit in der Hütte. Ein Bergführer, der Unregelmässigkeiten bei ihrem Abstieg beobachtet hatte, alarmierte die Rettungskräfte.

Das Ehepaar Steinhoff wohnt in einer kleinen Eigentumswohnung in einem Aussenquartier von Konstanz. Nahe am See, in einer ruhigen Wohngegend. Die Wohnung sieht so aus, als sei gerade das Möbelhaus vorgefahren und habe die Einrichtung akurat hingestellt. Alles ist ordentlich, an den Wänden hängen Bergfotos. Einige zeigen den Sohn Michael, der Bergführer geworden ist, den Beruf aber aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann. Sie haben noch ein Tochter, Corinna, die mit ihrem Mann und zwei Kindern in der Konstanzer Altstadt wohnt.
Als ich anrief um ein Interview zu erbeten waren sie sofort bereit über die Dinge zu sprechen.
Wir setzen uns an einen Tisch mit Eckbank und einer gehäkelten Tischdecke drauf.
Erika reagiert auf meine Fragen oft schneller als Raimund und ergänzt manches, was er sagt. Inhaltlich sind sie aber in jedem Punkt kongruent.
Im Zentrum meines Interviews steht die Frage: Wie gehen die Familien mit der Nachricht vom Bergtod eines Angehörigen um? Aber wir reden rund um die vielen Unfälle, in welche die Sektion Konstanz mit ihren ca. 6000 Mitgliedern verwickelt war. Daneben frischen wir auch Erinnerungen auf an gemeinsame Bergtouren und gleichen unsere Erfahrungen ab in Bezug auf das Bergsteigen allgemein und speziell in Bezug auf dessen Gefahren.

Wie wurden die Familien vom Tod ihrer Angehörigen benachrichtigt?
R: Ich übernahm die Aufgabe, die Angehörigen zu benachrichtigen, als ich den Anruf vom 1. Vorsitzenden bekam. Fritz Schaffheutle, 1. Vorsitzender war so geschockt, dass er dazu nicht in der Lage war. Ich bin dann zu den Leuten hingegangen. Der verunfallte Eugen Stadelhofer arbeitete als Schreinermeister im gleichen Betrieb wie ich. Er im Der Werkstatt, ich im Büro, da haben wir uns sehr gut gekannt. Erika und ich fuhren von einer Familie zur Nächsten.
Raimund legt im Gespräch lange Pausen ein.
R: Ich hatte 1 Woche nach dem Unfall am Chrütz am Ort einen Rutschkeil gegraben und mit dem angeblichen Informanten Jenni gesprochen.

Der Bauer Jenni hat seine Aussage ja dementiert.
R: Ja, der war oben am Skilift und die Gruppe hatte den Lift vor der Bergstation verlassen.
E: Ja aber wie gehen die Leute mit der Nachricht um?
R: Schwer, das ist ja auch ganz verschieden. Beim Unfall Kohler hat sich ein ehemaliger drogensüchtiger Sohn in der Folge des Unfalls das Leben genommen. Der hat das nicht verkraftet. Der Kohler hat den Sohn da rausgeholt und dann war das einfach zuviel.

Wie reagierten die Leute, die am Chrüz jemanden verloren hatten?
R: Manche hatten mit so was gerechnet, weil die Leute viel im Winter unterwegs waren. Andere waren schockiert.
E: Die Christa.
R: Ja die Christa war aus der Fassung.
E. Einige von uns waren in einem Sommer davor dort und sagte: Da muss der Schnee ganz gut sein, dass man da hindurch kann. Das ist so steil und sie war aber von Westen her hochgekommen. Dann sieht man in diese dunkle Mulde, und die ist ja schon sehr steil.

R: Es war (an jenem 27.2.83) ja auch das Chüenihorn vorgesehen. Die wollten gar nicht aufs Chrüz. Aber bei dem Nebel wollte der Tourenleiter nicht die Verantwortung übernehmen, die Route durch die Lawinenverbauungen zu finden. Dabei wäre das im Nachhinein wohl sicherer gewesen. Ich wollte an dem Tag mit Erika auf den Piz Medel, und als ich gesehen habe, dass es so warm geworden war, habe ich die Tour abgesagt. Ich habe das früher schon erlebt, dass ich bei solcher Wärme durch einen Hang gegangen bin, und gleich danach kam der ganz Hang in die Tiefe gerutscht. Etwas später wären alle drunter gewesen. So habe ich an diesem Tag die Tour abgesagt.

E: Ja, wie haben die reagiert? Lore ist ja im Schnee umgekommen. Die haben 3 Kinder, die waren fast erwachsen, so 15 – 19. Die waren zuhause. Erst waren die mal ganz still. Die konnten das erst mal gar nicht fassen dass die Mutter umgekommen ist.
R: Der Vater war ja auch in der Lawine und die Mutter ist umgekommen.

Stellt man sich in der Situation nicht die Sinnfrage?
R: Da kommen schon Bedenken und Vorsicht ist immer richtig. Wir sind seither viel vorsichtiger geworden. Also ohne den Lawinenbericht und Wetterbericht zu hören gehe ich auf keine Tour mehr. Und dann habe ich mich entschieden, nur noch auf Hochtouren auf Gletschern zu gehen, wo keine Lawinen kommen können. Aber weißt du noch, als am Grand Combin die Düsenjäger drüber gekracht sind, und das hat getönt wie ein Eisschlag, da bin ich schon erschrocken. (Raimund und ich haben gemeinsam 1986 die berüchtigte Corridor – Route am Grand Combin gemacht, und genau als wir unter Eistürmen, die einzustürzen drohten, durchgingen wurden wir vom Lärm der Kampfjets erschreckt)
E: Ja, stellen wir uns die Frage nach dem Sinn? Nein, ich glaube, wir gehen so gerne, dass wir einfach wieder gehen.
R: Ja, dass man wieder geht. Aber eine gewisse Zeit brauchte ich dann schon. Nach dem Unglück am Schreckhorn hätte ich eine Woche später eine Tour führen sollen, da war ich nicht in der Lage.
E: Ja das war für dich noch krasser. Denkpause. Helga Fleischhauer hat, als ihr Mann mit den Ski abgestürzt ist sogar in der Todesanzeige geschrieben, dass sie wieder gehen will, hat es dann aber doch nicht gemacht.
R: Das war so eine Trotzreaktion. Kann sein, dass man einen Moment denkt, man geht nicht mehr, doch man geht meist doch wieder. Die echten Probleme kommen dann ja erst.
E: Beim Kohler war ja sein Sohn, der immer Probleme machte, und der drogensüchtig war, den hatte er da rausgeholt, und der hat sich nach dem Tod des Vaters das Leben genommen. Das war für die Mutter natürlich noch schlimmer.

Gibt es noch so eine Heroisierung, wie in der Frühzeit des Alpinismus?
R: Glaub ich nicht, das ist doch vorbei.
E: Heute denkt man eher an die Angehörigen.
R: Schillinger und auch Bäumle, der in der Lawine war, mit denen sind wir viel zusammen gewesen, viel zusammen gelaufen, das brauchten die um sich auszusprechen zu können.
E: Ja die, die viel darüber gesprochen haben sind auch besser darüber hinweggekommen.

Wie hat sich euer Verhältnis zu den Hinterbliebendurch die Unfälle verändert?
R: Am Chrütz war es ja eine gemeinsame Skitour, die haben das gemeinsam entschieden. Auf dem Parkplatz entschieden sie sich, nicht das Chüenihorn zu besteigen, nachdem der Tourenleiter schon vorher gezögert hatte. Er traute sich nicht, den Weg durch die Lawinenverbauungen im Nebel auf das Chüenihorn zu finden. Dann haben sie gemeinsam entschieden aufs Chrütz zu gehen. Aber es war eine gemeinsame Tour. Keiner war für die Tour wirklich verantwortlich.
E: Obwohl das Chüenishorn wohl ungefährlicher gewesen wäre.
R: Ja im Nachhinein. Erika und ich waren eine Woche nach dem Unfall am Chrütz wir haben da noch Sachen von den Verunfallten gefunden und einen Rutschkeil gegraben.
Denkpause
R: Der Keil ging sofort ab, da war nach einer langen Schönwetterperiode eine harte Schicht im Schnee und Saharasand drauf. Darauf ist das dann abgegangen.
Denkpause
Die Hinterblieben treffen so im Advent zusammen, gehen zusammen ins Theater oder so, nach St. Gallen.
Denkpause
Wir hatten dieses Jahr nochmals einen Gedenkgottesdienst, da sind aber nicht mehr alle Hinterbliebenen und Überlebenden gekommen. Die Frau vom Dirk Feistkorn kam nicht und Christa ist damals auch nicht zum Gauenhütte gekommen, sie sagte schon damals: „Das tu ich mir nicht an.“ Ja die hatten ja auch eine schwere Zeit zusammen.
R: Ja aber das ging in dem Moment ja aber besser.
E: Angelika Stadelhofer ging ja hin, in die Schweiz, hat sich den Eugen (der am Chrüz umgekommen ist) noch vor Ort angesehen bevor der Sarg zugemacht wird, ist in die Schweiz gefahren, Angelika. Die erzählt auch immer alles was sie fühlt und dann ist sie es los, dann ist es fertig.

Gibt es eine Art Psychogramm, von Frauen, die Männer heiraten die gefährliche Dinge machen?
R: Nein, das glaube ich nicht, die meisten fingen erst an gefährliche Dinge zu machen, nach der Eheschliessung.
E: Fritz Schaffheutle hatte seiner Frau zur Bedingung gemacht, dass er weiterhin in die Berge gehen kann. Herta, seine Frau ist eine ganz liebe, ruhige Frau, die einfach mitgewandert ist.
R: Du hast mich auch nicht geheiratet, in der Erwartung, dass ich vom Matterhorn abstürze.
E: Nein, aber wenn ich allein zuhause war, war das schon oft schwierig, zu warten, wenn’s mal später wurde. Man würde dann am liebsten anrufen, und man kann nicht.
R: Ja das ist heute einfacher, mit dem Handy kann man auch anrufen.

Wie war die Presseberichterstattung?
R: Südkurrier war’s ja ziemlich sachlich, aber in der Bildzeitung war das ganz reisserisch aufgemacht, mit dem Bauer Jenni, der die Gruppe angeblich gewarnt haben soll. Ich habe eine Woche später mit dem Bauern Jenni gesprochen, der hat zwar die Gruppe von weitem aufsteigen sehen, doch hat er nie mit ihnen gesprochen. Ich habe dann verlangt, dass sie diese Aussage zurücknehmen und das haben sie dann auch gemacht. So zwei Zeilen unten links, die natürlich kein Mensch liesst. Bildzeitung halt, nicht besser als der Blick.
Dann haben wir hier das Eidgenössische Schnee und Lawinen Forschungsinstitut. Ich habe da halt alles so gesammelt, was kam.

Da! –Wir sehen ein Bild, wo ich drauf bin.
Ich: Das war. Als wir die Leute aus dem Helikopter ausgeladen haben. Da wird mir ein Interview mit völlig falschen Aussagen in den Mund gelegt!
E: Da ist fast bei allen Texten etwas falsch.

Raimund übergibt mir einen ganzen Ordner mit Zeitungsausschnitten und Protokollen der Polizei zu verschiedenen Bergunfällen, welche die Sektion Konstanz betreffen.

R: Todesanzeigen brauchst Du wahrscheinlich nicht.
Ich: Doch, weil ich die Bilder suche, ich suche danach, wie man den Tod behandelt, was für Bilder und Gedenksarten gibt.
R: Von Kohlers Absturzstelle gibt es noch ein Dia.

Gibt es einen Gerichtsentscheid vom Unfall am Chrüz?
Ja es gibt den Gerichtsentscheid, dass der dann da freigesprochen wurde.
(Da die Gruppe beschlossen hatte gemeinsam eine andere Tour als die geplante zu machen und der vorherige Tourenleiter die Tour aufs Chrüz nicht kannte und auch keine Karte vorhanden war ging das Gericht nicht mehr von einer Sektionstour aus sondern von einer gemeinsam in geteilter Verantwortung unternommenen Tour. Ausserdem war der ursprüngliche Tourenleiter Eugen Stadelhofer ums Leben gekommen.)

Wie war die versicherungsmässige Situation?
Ja das wurde vom Alpenverein übernommen. Jetzt wurde die Summe heraufgesetzt und der Verein übernimmt damit Bergrettung und Suchkosten, damit sind die meisten Fälle gedeckt.

Wie nimmt die Szene ausserhalb den Alpinismus wahr,
R: Viele Betrachten das als Leichtsinn.
E: Ja, vor allem nach dem Unfall. Warum geht der mit 60 noch aufs Schreckhorn?
R: Ich war noch jünger, aber Georg war 60.
E: Ja, viele sagen schon, das muss sein wie eine Sucht, das macht leichtsinnig.
R: Ja da gibt es schon Unverständnis.

Stört euch das?

R+E: Nein, ich würde sagen, die haben einfach keine Ahnung, die können das einfach nicht entscheiden. Nein, also das stört uns eigentlich nicht wirklich, wir wissen ja, was wir da tun.
R: Ich wollte mal die Überschreitung des Lysskamms machen, ich wollte das unangeseilt machen, weil man da einen der abstürzt nicht halten kann. Da kamen dann statt der sieben, die auf der Monterosahütte waren nur drei mit. Einer entschied sich erst am Morgen, die Tour zu wagen, er hatte einfach ein gutes Gefühl, das er am Abend nicht nicht abrufen konnte. Wenn da einer stürzt, reisst die andern einfach mit. Wir haben dann die schwierigsten Stellen seilfrei gemacht, und ich habe dann immer wieder geschaut, wie die gehen. Also da war’s dann wirklich steil und sehr schmal. Und als ich schaute: ganz toll! Die gingen also ganz toll, so konzentriert. (Die Überschreitung des Lysskamms ist wesentlich schwieriger als der Südpfeiler des Schreckhorns.)
Ich: Ja, wenn einem nicht ein Steigeisenbindung reisst, wie dir am Grand Combin.
R: Ja. (lacht)

Ich : Am Grand Combin haben wir das ja auch so abgemacht. Die stark eisschlaggefährdete Corridorroute nur unangeseilt, Tempo und durch.
R: Ja, das war sicherer, jeder so schnell wie möglich. Diskussion, das Risiko abschätzen. Gefühl braucht es auch, damit man das Risiko abschätzen kann.
Ich: Der Schweizer Lawinenexperte Werner Muter sagt auch immer: Hört auf euer Gefühl, das hilf mehr als ihr glaubt.
R: Oft spürt man, ob es gut ist, die Intuition hilft oft.
E: Mit einem guten Gefühl kann man’s ja auch besser, man wird lockerer.

Ich: Beim alleine Klettern habe ich gemerkt, wie viel Aufmerksamkeit die Seilhandhabung braucht, die man eigentlich fürs Klettern brauchen würde.
R: Ja.
Ich: Das Seil verursacht bei nicht sehr guter und sachgemässer Handhabung häufig Steinschlag, der auch sehr gefährlich werden kann.
R: Ja-. Beim Nachziehen, Ja, im brüchigen Gestein ist es gefährlich.
E: Oft spürt man vorher, was kommen wird, oder dass etwas los ist. Ich hab’s am Schreckhorn ja auch gespürt.


Ich Wie weit ist Alpinismus Lebenssehnsucht und wie weit es Todessehnsucht?
E.: Todessehnsucht Gar nicht!
R: Bei uns gar nicht, da müsste einer schon Selbstmordabsichten gehabt haben. Nein, das kann ich mir nicht vorstellen.
E: Nein, dann würden wir nicht gehen. Man bereitet sich vor und hat Spass daran.

Kommt es vor, dass euch Todessehnsucht unterstellt wird?
R+E: Nein, man macht es für sein Leben und bereitet sich vor und hat Spass daran.

R: Die 4000-er der Schweiz habe ich alle bestiegen, aber ausser beim Schreckhorn hatte ich nie Probleme. Beim Absturz von Georg am Schreckhorn kam in mir eine gewisse Unsicherheit auf. Und zwar ein Zittern beim Klettern. (er zeigt, wie er vom Eindruck des Ereignisses zusammengekrümmt wurde und zitterte) Das war bei der 3. Abseilstelle. Ich war schon weiter abgeklettert und hatte einen schlechten Stand. Da war ein Schneefeld, das habe ich gequert. Dann rief er: „Du hast ja einen Hacken übersehen,“ den benützte er dann und hängte das Seil dort ein. Als er ins Seil hing musste sich das dann gelöst haben, ich weiss nicht, ob der Hacken nicht richtig gesteckt hatte oder eine Schlinge nicht gut war. Er stürzte an mir vorbei. Das Seil wirbelte weit in der Luft. Er hat noch geschrieen. Mit Seilschlingen bin ich immer vorsichtig, wenn die nicht gut ist kann das brechen. Wenn da vorher ein Seil abgezogen wurde wird, das versengt die Schlinge und das hält dann nicht mehr. Den Haken hat man nicht gefunden. Ich war da schon eine Seillänge tiefer.
E: Also genau weiss man das nicht, aber es war ein klarer Abseilunfall.

Ist die Polizei hochgegangen?
Die waren da oben, die haben ihn dann geborgen und ich bin dann dort geblieben, bis sie mich auch geholt haben. Sie habe gesagt, der Gletscher sei arg zerschrundet und ich solle auf alle Fälle bleiben, und nicht unangeseilt zur Hütte zurückgehen. Die sind noch mal hochgeflogen, nur ganz kurz um sich das anzusehen, der Bergführer hing da am Seil, dann war ihm schnell klar, was passiert ist, ein reiner Abseilunfall.

Gab’s eine Untersuchung?
R: Nee, die haben da meine Schilderung gehört. Und als der Bergführer festgestellt hatte dass das zu stimmen scheint, gab’s dann keine Untersuchung.
E. Ja wir mussten unten dann schon noch etwas zu Protokoll geben.
Denkpause
R: Das war sein letzter 4000 er- Ja der hatte alle.
E: Der Georg?
R: Ja, Schreckhorn hatte er schon einmal versucht, das hatte nicht geklappt. Ich wollte eigentlich aufs Täschhorn. Dazu hätten wir einen weiteren Urlaubstag gebraucht. So sind wir eben aufs Schreckhorn gegangen. Zu dritt hätte die Zeit nicht ausgereicht. Erika war auf der Hütte. Erika hätte auch mitkommen können, aber die Tour ist schwierig, da musste man alles sichern, zu dritt hätte man doppelt sichern müssen, dazu reicht die Zeit nicht.
E: Also das war ein Dreier in der Höhe und ausgesetzt, das hatte ich bisher noch nicht gemacht. Also gereut hat es mich nicht wirklich, ich wusste, dass es schwer war.
Die Männer haben gesagt, dass es laut Führer 7 Stunden sind bis zum Gipfel, das ist schon lang und in der Höhe und so sagte ich mir eben, dann lassen wir das.
Ich habe vor der Hütte gesessen und habe gelesen, doch plötzlich konnte ich nicht mehr lesen. Ich wurde so nervös.
R: Da war ja noch ein Bergführer unterwegs mit zwei Kunden.
E: Da dachte ich, warum bin ich plötzlich so unruhig und dann ging’s auch nicht lange, bis die Klienten vom Bergführer kamen und ich fragte sie, warum sie alleine kommen. Die sagten, ihr Bergführer wollte das noch beobachten, was die andern da oben tun. Der Bergführer hatte gesagt, dass da oben was nicht stimmt. Der hatte gesehen, dass da etwas nicht stimmt. Dann kam auch gleich der Hubschrauber...
R: Ja das waren zwei Hubschrauber, der erste war mit Gästen unterwegs, der flog gleich drüber hinweg, und der zweite war dann der Rettungshubschrauber.
E: ...da war ich heilfroh, als dann Raimund ausstieg, aber wie! Der konnte kaum mehr gehen... nass und ganz gebückt.
R: Ja, ich war ganz nass, ich musste da einen Wasserfall queren und ich habe dann da oben gewartet. Ich war die ganze Strecke bis zum George abgeklettert. Die ganze Kante und dann die Rampe. Zwei Stunden habe ich dafür gebraucht. Bis ich bei ihm war. Da habe ich ihn dann gefunden, wo er tot war.
E: Der Bergführer hat beobachtet, dass nur einer von den beiden absteigt.
R: Beim Raufklettern hatten wir kaum Schwierigkeiten. Normalerweise probiere ich immer ob die Haken richtig sitzen. - (Zeigt ein Bild vom Schreckhorn) Der Bergführer war auch oben, die waren aber schneller im Abstieg und er hat dann von unten gesehen, dass bei uns etwas nicht stimmte, weil nur einer abgestiegen war.
E: Da sieht man die Absturzstelle und den ganzen Weg, den Georg abgestürzt ist und die Kante über die Raimund ungesichert abgeklettert ist.

E: Die haben versucht, mit ihrem Führer zu sprechen, aber der hat sie nicht gehört. Ich konnte auch den Grat sehen, aber ich habe nichts gehört.
R: Aber er hat sie gesehen.

Ich weiss nicht wie nahe das zusammen ist, von der Schreckhornhütte zum Grat.
R: So tausend Meter.
E: Nein das reicht nicht. Ja man geht von der ist die Schreckhornhütte.
R: Früher war es die Strahlegghütte, aber die gibt’s nur noch als Ruine. Ich bin da mit Erika später nochmals hochgegangen, weil man da von der Ruine der Strahlegghütte aus das Schreckhorn so schön einsieht.

Ich fotografiere ihn, wie er auf dem Bild zeigt, wo’s passiert ist, er erzählt mit ruhiger Stimme und zeigt, wo er abgestiegen ist.

R: Ich habe mal eine Tour geführt zum Dürrenhorn, da habe ich gemerkt, dass der Schnee zu weich wurde, da habe ich im Abstieg nur drei Seile zusammengebunden und oben zur Fixierung einen Pickel vergraben. Ich habe dann den Leuten gesagt, sie sollen nicht mehr einseilen, sondern nur schnell am fixen Seil absteigen. Und wirklich, als Erika als letzte runterkam ging dann die Lawine ab und hat sie mitgerissen, weit über den Bergschrund hinaus und sie hatte nur ne kleine Schramme ab. Das war aber sicherer als wenn alle am gleichen Seil eingebunden gewesen wären. Weil dann hätte es alle mitgerissen.
E: Ja, ein Glas von der Gletscherbrille war weg, der Helm war aber noch auf. (lacht)
R: Ja ich ging dann wieder hoch zum den Pickel holen und dann sind wir nur noch schnell abgestiegen.

R: Ja man weiss es vorher oft nicht richtig, dass es im Sommer Lawinen geben kann.
Ich erwähne ein Unfallserie am Montblanc und das Jungfrauunglück mit den sechs Soldaten vom Sommer 2007 und den Unfall vom Frühsommer 2009 am Palü. Bei diesen Unfällen sind im Sommer Schneebretter losgegangen.

E: Ja man wird da schon viel vorsichtiger,
R: Ja die Schweizer Armeebergführer, die haben das an der Jungfrau einfach durchgezogen.

Wie ist denn das mit der Gruppendynamik? Verhält man sich auch in den Bergen anders, wenn man in einer Gruppe ist. Dass man sich hochpuscht.
E: Das geht schon los, wenn man losgeht, dann gehen sie schon alle schnell, sieht ja schlecht aus, wenn man als letzter geht. Und so geht das weiter. Jeder will zuforderst gehen. Wenn ich alleine gehe, frage ich mich ob ich das kann oder ob’s zu gefährlich wird.
R: Keiner will kneifen.
E: Und so geht das weiter, da in der Gruppe fühlt man sich sicherer. Wenn ich allein gehe, dann bin ich schon vorsichtiger, aber in der Gruppe sagt auch keiner je etwas, Frauen sagen schon eher mal dass ihnen was nicht gefällt, aber Männer sagen da nie etwas, die wollen einfach hochgehen.
R: In der Gruppe fühlt man sich schon sicherer.
E: Man denkt in der Gruppe nicht mehr dran.
R: Grad durch solche Erlebnisse wird man noch vorsichtiger.

Ich erzähle von meiner Lawinenverschüttung, da wirkt Raimund viel betroffener als bei der Erzählung seiner eigenen Geschichte.

Raimund führt noch kleinere Touren, er hat Artrose in den Fingern und kann so nicht mehr klettern.
R: So kann ich nicht mehr zum Matterhorn hoch. Skitouren, das geht noch und wandern.
E: Jede Woche treffen wir uns mit dem Alpenverein. Einmal zum Wandern und einmal zum Radfahren. Dann war ich mit den Senioren zum Mattstock. Klettern strengt uns mehr als früher.

Raimund will nochmals wissen, wie wir die Gruppe am Chrüz gefunden haben. Ich erzähle, wie es aus unserer Sicht war.
Ich: Die Zahl der zu versorgenden war viel zu gross für uns. Zwei von uns sind ins Tal gefahren um Rettung zu organisieren. Etwa drei Leute waren nicht mehr einsatzfähig, als sie gesehen haben, was passiert ist, und 6 von uns waren wirklich in der Lage die Verunfallten zu suchen, auszugraben, zu beatmen und Herzmassage zu machen. Das war zu viel bei 9 Verschütteten. Die, welche wir zuerst gefunden hatten, bzw, die sich selbst ausgegraben hatten, und die überlebt hatten, waren nicht in der Lage zu helfen. Wir liessen sie auch soweit im Schnee stecken, dass sie atmen konnten um sich selber langsam auszugraben, damit wir uns den ganz Verschütteten widmen konnten. So blieben 6 Helfer für 5 Schwerstverletzte mit Herzstillstand und Ausfall der Atemfunktion.

Die Zeit, die ich brauchte um die Geschichte zu überwinden vergleicht Erika mit den Geschichten der Kriegstraumatisierten. Darüber sprechen wir, dass es lange Zeit braucht um diese Erlebnisse zu verarbeiten.

Ich erzähle die Geschichte von Thierry Jaccard, Raimund bestätigt, das spätberufene Bergsteiger forscher gehen als solche, die jung anfangen.

R: Mir hatte die Sektion zum Abschied aus dem Vorstand einen Alpenrundflug geschenkt, da habe ich viele Fotos gemacht. Das waren noch die Diafilme, Erika hat immer nachgeladen. 6 Stunden sind wir über alle 4000-er geflogen, die ich bestiegen habe.

Am Abend:

Nach dem Besuch bei ihren Eltern traf ich noch Corinna Steinhoff. Als ich sie fragte, wie ihr Vater damals auf den Unfall am Schreckhorn reagierte, sagte sie, indem sie laut ausrief: "Ja da wurde er erstmals in seinem Leben menschlich!" In Ihm soll der Unfall eine Veränderung ausgelösst haben, dass er auf die Pflege von Sachwerten weniger Energie verwendet und sich vermehrt um Menschen kümmert, sich den Enkeln widmet uns gelernt hat, auch mal eine Fünf gerade sein zu lassen.