Dienstag, 8. Juni 2010

Zürcher Hochschule der Künste Master of Arts in Art Education Vertiefung publizieren & vermitteln HS-09-10

Bergtod


Überblick



Meine Masterthesis befasst sich mit der Kulturgeschichte des Todes im Alpinismus. Das Ziel der Arbeit ist ein Buch, das sich an ein Zielpublikum richtet, das sich für geschichtliche und heimatkundliche Fragestellungen interessiert. Es besteht aus sechs sich ergänzenden Kapiteln und einem reichhaltigen Bildteil. Diese Masterthesis beinhaltet das erste Kapitel davon mit der Aufarbeitung eines realen Lawinenunglücks auf drei Ebenen: Meine eigene Erinnerung als Retter, Aufarbeitung der Presseberichte und der Gerichtsentscheide von damals, und einem Interview mit Betroffenen 26 Jahre danach.
Das Buch soll in einem Verlag erscheinen, der mit historisch-literarischen Publikationen mit einem wesentlichen Bildteil Erfahrung hat. Ich stelle mir den Berner AS Verlag vor.

Die Relevanz des Themas ist angesichts der zahlreichen Bergunfälle mit einer entsprechend ausführlichen Medienberichterstattung gegeben. Im Laufe dieser Arbeit habe ich festgestellt, dass im Bergsport das Risikobewusstsein zwar ausgesprochen vorhanden ist. Doch führt dieses Bewusstsein nicht dazu, dass auf immer höhere Schwierigkeiten verzichtet wird. Das oft erreichte Flowerlebnis beim Klettern wiegt für Bergsteiger die Todesgefahr auf. Mein persönlicher Zugang ergibt sich durch eine jahrzehntelange alpinistische Tätigkeit als SAC- Tourenleiter und Eigenerfahrung in der Bergung von Unfallopfern, sowie auf reichhaltiges Material, das ich in den Archiven von Alpenvereinen und in Bibliotheken gefunden habe. Unfälle werden meist als unerwartet, unabwendbar und nicht selbstverschuldet zur Kenntnis genommen. Der Alpinismus als Feizeitbeschäftigung oder als Beruf (Bergführer, Extrembergsteiger) wird durch Unfälle nicht in Frage gestellt. Die Gestaltung der Grabmale geht ausgesprochen auf die Thematik des Bergtodes ein. Neben dem Schmerz und dem Hinweis auf den Verlust drücken die Formulierungen auf Todesanzeigen und Grabsteinen oft ein Verständnis für das Schicksal der Verunfallten aus. Das Bergsteigen als Solches wird kaum in Frage gestellt.

Der Fokus der Arbeit liegt auf dem Tod von Alpinisten in den Bergen. Mit der Vermeidung und dem Suchen nach dem Tod, verbunden mit einer hohen Risikobereitschaft. Und damit, was geschieht, wenn er eintritt. Ich zeige, was Menschen, die von alpinen Todesfällen betroffen waren, darüber zu sagen haben, wie sie ihrer Toten gedenken und wie diese Todesfälle ihr Leben verändert haben. Damit werden die Prinzipien des Lebens und Sterbens in den Bergen einander gegenüber gestellt. Ich lasse dabei Hobby- und Extrembergsteiger, Bergführer, Hüttenwarte, Rettungsleute, Hinterbliebene und Überlebende zu Worte kommen.

In den europäischen Bergregionen, die seit zweihundert Jahren zu einem erheblichen Teil aus dem Tourismus leben, hat sich in dieser Zeit eine spezielle Art des Umgangs mit dem Tod von Bergsteigern, einheimischen wie Gästen entwickelt. Ich habe auf meiner Recherche Grabmäler und Marterln (Stehlen oder kleine Altäre, die zum Gedenken an Verunfallte errichtet werden) gefunden, die von einer eigenständigen Ikonographie des alpinen Todes zeugen. Neben diesen Manifestationen der Auseinandersetzung mit dem alpinen Tod befasst sich meine Recherche mit Gerichtsurteilen, tradierten Geschichten, malerischen Darstellungen und der literarischen Reflexion.
Fragestellung
• Warum nehmen Menschen in der Freizeit beim Bergsport ein so hohes Risiko in Kauf?
• Wie hat sich die Wahrnehmung und die Darstellung des Todes in der Geschichte entwickelt?
• Wie ist die Selbstwahrnehmung im Umgang mit dem Risiko?
• Wie verarbeiten Bergsteiger und ihre Angehörigen Todesfälle?
• Welche Rituale im Umgang mit dem Tod sind im alpinistischen Umfeld bekannt?
• Wie unterscheiden sich diese Rituale von üblichen Totenritualen?
• Wie werden Bergunfälle in den Medien kommentiert?
• Wie wird die Schuldfrage vor Gericht beurteilt?
Methode
• Interviews mit durchschnittlichen und extremen Bergsteigern, Unfallüberlebenden, Hinterbliebenen, Alpenclubverantwortlichen, Pfarrern, Rettungsleuten. Befragung bezüglich Fremd- und Selbstreflexion, Frage nach Konsequenzen in Folge von Unfällen.
• Dokumentation von Gerichtsurteilen bei Bergunfällen.
• Analyse eines Fallbeispieles auf allen Ebenen: Betroffene, Medien und Gericht. (Kapitel 1 des Buches)
• Fotografische Dokumentation von Unfallorten und Bergsteigergräbern in der Schweiz, Österreich und Frankreich. Bilder von zahlreichen Bergtouren und Wanderungen in den letzten Jahrzehnten.
• Symbolanalyse der Ikonographie von Bergsteigergrabsteinen.



Die Masterthesis ist in drei Teile gegliedert:

• Eine begleitende Theoriearbeit, die unter dem Titel „Leidenschaft zwischen Eros und Thanatos“ den diskursiven Hintergrund meiner Recherche und meines Schreibens ausleuchtet. Ich orientierte mich dabei sowohl an sozialwissenschaftlichen Annäherungen ans Thema, wie auch an literarischen und psychologischen Auseinandersetzungen mit dem Tod.

• Eine Liste mit Literatur, die im Zentrum meiner Forschung gestanden ist. Es sind Texte aus Soziologie, Psychologie, Geschichtsforschung und Literatur, die Einblick in die Hintergründe des Bergsteigens geben, aber auch das Umfeld betrachten, in dem der alpine Tod steht. 

• Das Fragment des anvisierten Buches „Bergtod“ in sechs Kapiteln. (siehe Inhaltsverzeichnis)
Das Buch enthält Texte und Bilder, die ich im Rahmen der Feldforschung geschrieben und fotografiert habe. Darin befinden sich Legenden, Dokumentarberichte, Interviews, Fallbeispiele, eine Meditation und eine Bilddokumentation von Unfall- und Gedenkorten. 

Konzept des Buches


Es ist in 6 Kapitel gegliedert, die je mit Farbbildern illustriert sind.

Kapitel 1 zeigt die Realität des Bergtodes in seiner Tragweite für die Familien und die an der Rettung oder Bergung Beteiligten. Es soll aufwühlen und am Schluss versöhnlich enden.
Das Erste Kapitel liegt in der Masterthesis vor.

Kapitel 2 ist die nachdenkliche Geschichte einer Wanderung, eine Meditation und Spurensuche.

Kapitel 3 zeigt die bildliche Auseinanderssetzung mit der Realität des Bergtodes. Die Inschriften auf Grabsteinen werden den Leser erstaunen.

Kapitel 4 zeigt auf, dass der Bergtod in manchen Fällen von den Opfern gar nicht so sehr vermieden wird. In zwei Geschichten gehe ich der Frage nach, ob da nicht eher der Tod gesucht wurde als die Freude an den Bergen.

Kapitel 5 zeigt den Berufsalltag der Bergretter und soll auf die Problematik hinweisen, dass sich Menschen in der professionellen Bergrettung in ihrem Leben hunderte von Schwerverletzten und Toten ansehen müssen. Ich zeige auf, wie diese Menschen dem Leiden begegnen und wie sie selber über den Alpinismus denken.

Kapitel 6 Sinn und Sarkasmus. Der Extrembergsteiger und Mediziner Oswald Oelz hat ein Interview zugesagt, das ich daraufhin fokussieren will, wo sich im Alpinismus Sigmund Freuds Grundprinzipien Eros und Thanatos begegnen. Ich reflektiere damit die Begleitende Theoriearbeit in einem Gespräch mit einem witzigen, scharfzüngigen und sehr sensiblen Menschen.

Das Buch richtet sich an ein historisch, heimatkundlich und alpinistisch interessiertes Publikum, das sich gerne mit philosophischen Fragen nach den Hintergründen des Bergsteigens befasst.

Das Buch soll als mittelgrosser Vierfarbendruck im Querformat erscheinen.
Als Verlag ist der AS Verlag ideal, da er Bücher im Zusammenhang mit Kultur und Alpinismus herausbringt.


Selbstreflexion

Am Anfang der Themensuche dachte ich an eine philosophisch-essayistische Sozialanalyse im Kunstdiskurs. Ich stellte mir damals einen Text unter dem Titel „Die Versuchung durch das Schöne“ vor. Im zeitgenössischen Kunstverständnis ist der Begriff des Schönen im Diskurs der Fachleute irrelevant geworden, anderseits fragt der Laiendiskurs im Bezug auf Kunst immer noch nach der Schönheit des Werks. Ich wollte des Spagat der beiden Kunstverständnisse aufzeigen.

Später, aber immer noch in einer relativ frühen Phase der Entscheidungsfindung kreisten meine Ideen darum, mein persönliches Lebensthema vom Tod in den Bergen zum Thema der Masterthesis zu machen. Ich wurde als Alpinist mehrmals direkt damit konfrontiert und habe einige Situationen selber nur knapp überlebt. Die persönliche Relevanz war also gegeben. Da ich der Meinung bin, dass eine gesellschaftliche Relevanz durch die grosse Medienpräsenz des Themas „Tod in den Bergen“ gegeben ist, fing ich schon im Frühjahr 09 mit der Recherche an.
In einer ersten Phase meiner Arbeit begab ich mich in das Feld des Alpinismus, von dem ich mich vor Jahren zurückgezogen hatte. Das heisst, ich stieg auf Berge, besuchte Unfallorte, Grabstätten und sprach mit Leuten, die mich im Thema weiterbringen konnten. Ich erneuerte alte Kontakte zu Bergsteigerfreunden und las mich in die feldbezogene Literatur ein.

So entstand schnell eine grosse Sammlung an themenbezogenem Material, von Todesanzeigen über Predigten bis hin zu persönlichen Aussagen in Interviews. Hunderte von Fotos von Bergsteigergräbern und Gedenkstätten ergänzen die Sammlung. Das Niederschreiben von Gedanken und das Transkribieren von Interviews fällt mir dank einer reichlichen Erfahrung relativ leicht. Die Fokussierung auf Fragen, die im Hintergrund der Feldforschung stehen, nach übergreifenden Themen des Diskurses, fällt schwerer, da ich mich nicht immer leicht getan habe damit, Antworten, die zwar jeden Bergsteiger interessieren, aber nicht auf diese dahinter stehenden Frage Bezug nehmen, wegzulassen oder mit einer Nachfrage zu schärfen.

Den Wert und die Stellung der Begleitenden Theoriearbeit habe ich lange Zeit unterschätzt, ebenso den Aufwand, den es brauchte um sie zu schreiben. Ich habe noch nie eine vergleichbare Arbeit verfasst und war mit der Materialbeschaffung und dem Zuordnen und Verdichten zeitweise sehr gefordert. Da wäre in der Vorbereitung im Masterthesis – Kolloquium eindeutig hilfreich, wenn daran mehr gearbeitet würde, und Arbeitsweisen erarbeitet würden. Letztlich ist es aber eine sehr gute Erfahrung, da ich mir neue Techniken und Fähigkeiten erwarb.






Mein Dank geht an:

meine Familie, die mich während dem ganzen Studium tatkräftig unterstützt hat
die Dozenten der ZHdK
meinen Mentor Ruedi Widmer
meine Studienkolleginnen und Kollegen
Erika und Raimund Steinhoff
Corinna Steinhoff
Oswald Oelz
und viele nicht namentlich erwähnten Bergsteigerfreunde


Ein Teil der Bilddokumentation und ein Artikel über die Grabmalgestaltung bei Bergsteigern wird im Heft 12 / 09 der Zeitschrift „eternity, das VDT Magazin“ veröffentlicht.

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