Donnerstag, 3. September 2009


Absturz am Guferjoch

Hier am Guferjoch ist am 25. Juli 09 ein Bekannter von mir bei einer einsamen Kletterei zu Tode gestürzt. Er war ein sehr erfahrener Alpinist und muss kurz vor Ende der Tour hier beim Abstieg abgestürzt sein.


Das Gwächtenhorn mit seinem imposanten Eisbuckel.

Hier sieht man das Wendenhorn der Blick geht auf den  Südostgrat. Links davon die Fünffingerstöcke, die bei dem herrlichen Wetter am Dienstag alle Finger - mehr als fünf - von sich gestreckt haben.
Der besonnte Grateinschnitt links im Bild ist das Guferjoch von Osten.



Am 1.9.09 besuche ich den Sutenlochspitz, wo vor ca. 4 Wochen T.G. abgestürzt ist.
Ein Jäger, den ich beim Aufstieg antreffe, erwähnt den genauen Ort, das Guferjoch auf ca. 2500 m.ü.M.


Das Guferjoch ist ein Übergang auf dem Weg vom Sustenpass zur Sustlihütte. Ein weiss – blau – weiss bezeichneter Bergpfad führt durch eine wilde Landschaft, über Reste der abschmelzenden Gletscher und über festes, wie auch sehr brüchiges Gestein. Der Grat, der vom Guferjoch hinauf aus den Sustenlochspitz führt, scheint schon von Weitem nicht von gutem Fels zu sein. Er wird im Führer mit –IV 2 ½ Std. ab Einstieg angegeben, im unteren Teil grasig, im obern Teil lohnend.
Ich steige vom P. 2130 an der Sustenstrasse hinauf, über Schafweiden und dann weiter über den kompakten Granitgrat, der weder direkt zum Guferjoch führt, noch in Richtung Sustenpss abzweigt.
Im Süden protzt das Gwächtenhorn mit seinem scheinbar unvergänglich Gletscherleuchten, das Eis zieht in einem eleganten Bogen zum Sustenhorn, dessen Gipfel aber nach Norden hin seine dunkle Seite zeigt. Auf einem Felssporn sitzt wie eine Fliege auf der Nase eines Riesen die Trifthütte, zu beiden Seiten umflossen von zerschrundeten Gletschern. Todesmutig stürzt sich der Steingletscher in die Tiefe des Haslitales, dessen warmer Empfang ihm gar nicht wohl bekommt. Er verwandelt sich zuletzt in eine braune, schmutzige Masse, ein Gemisch von Eis und Geröll, die keinen klaren Übergang zwischen den Elementen mehr zulässt.
Von einem schönen Aussichtspunkt auf 2550 m.ü.M. blicke ich hinüber zum Guferjoch und überlege, was da wohl passiert sein könnte. Der kleine, von Geröll übersäte Gletscherfirn, der sich bis dicht unters Joch hinzieht, dürfte mit den eingeschlossenen Steinen genügend Halt bieten um darauf sicher den Übergang zum festeren Fels zu schaffen. Der Übergang selbst sieht steil aus, doch entdecke ich mit dem Feldstecher eine geschwungene Linie über dem Fels. Offenbar ist er mit einem Seil oder einer Kette gesichert. Ich steige mehr oder weniger entlang der weiss – blau – weissen Routenmarkierung in Richtung Guferjoch, der Weg führt über Eis und viel brüchigen Fels, wo ich hintrete rollt etwas unter meinen Füssen in die Tiefe, nichts scheint hier mehr Beständigkeit zu haben, alles ist in Bewegung. Beim Guferjoch selber legt sich der Fels etwas weiter zurück als es von weitem den Anschein gemacht hatte und wie oft auf hochalpinen Routen sieht es von Nahem weniger schwierig aus als aus der Ferne. Doch ausser den paar vom Gletscher rund geschliffenen Granitwülsten, die es entlang der Kette zu übersteigen gilt, scheint sich der Berg hier von seiner äusseren Haut befreien zu wollen. Was nicht in seiner kugeligen Urform gewahrt wird bricht auf, zersplittert und stürzt in die Tiefe, bis es auf andere Brocken trifft, die den weitern Absturz für eine kurze Weile verhindern. Der Berg scheint sich von sich selbst befreien zu wollen. Kein Stein, auf den ich trete, bleibt wo ist, jeder noch so mächtige Brocken, dem ich meinen Tritt anvertraue, fängt an zu schwingen, gerät einer ins Rutschen, reisst er gleich noch die Steine über sich mit in die Tiefe, denen er ein Weiterstürzen verhindert hatte, und die nun ohne einen fremden Halt ihre Reise zu Tale fortsetzen. Über diese lose Landschaft steige ich hoch bis ich festen Fels unter den Füssen habe. Hier muss T.G. nach einem Sturz von 20 bis 30 Metern über ziemlich glatte Granitwülste wohl aufgeschlagen haben. Mitten in diesem von Geröll und Felssplittern übersäten Eisfeld muss sein Körper zu liegen gekommen sein. Er muss stark geblutet habe. Knochen gebrochen haben. Ob er sofort tot gewesen ist kann ich nicht abschätzen, mit etwas Glück haben Bergsteiger schon höhere Stürze überlebt, doch hier wird der abstürzende Körper nicht von einem weichen Schneefeld empfangen, keine flockigen Staubwolken aus frischen Pulverschnee umfangen den zerbrechlichen menschlichen Körper, sondern eine schafkantige, erbarmungslose Härte, auf die ein Körper mit Wucht aufschlägt. Auf dem rauhen Fels wird er zerschunden, in den weichen menschlichen Körper graben sich spitze Steine ein, zerreissen ihn, zermahlen ihn schlagen mit ihm stürzend auf ihn ein und auch moderne Bekleidung oder ein Helm bietet nur weinig Schutz wenn ein Mensch Teil einer zu Tale stürzenden Masse aus Fels und Schutt wird. Ich gehe auf dem Firn umher, bis ich unter einem der Steine, die sich hier ins Eis eingeschmolzen haben, eine eineinhalb Liter Petflasche finde. Sie ist zusammengedrückt und sieht ziemlich mitgenommen aus. In der verblieben Höhlung ist eine braune Flüssigkeit, die sich beim Riechen als Eistee definieren lässt. Ist das T.G.’s Flasche gewesen? Wer lässt seine Trinkflasche liegen? Wer nimmt sie auf dem Weg zur Sustlihütte auf oder in Richtung Sustenpass auf nicht mit? Vielleicht ist sie jemandem vom Joch aus heruntergefallen, der sich nicht die Mühe machen wollte nochmals vom festen Granit aus zu den in Umwälzung befindlichen losen Brocken hinunter zu klettern. Es wäre auch denkbar, dass es die Flasche von T.G. war, dass er beim Trinken ausgerutscht ist , die Flasche schon fast zugedreht, er drauf gefallen und sie seinen Sturz noch etwas gedämpft hatte. Vielleicht hat auch nur jemand die Flasche vergessen einzupacken.



Auf dem Friedhof Göschenen fand ich diese schöne Broncetafel.
Ob Joseph Maria Gamma in den Bergen verunfallt ist, oder an etwas anderem gestorben ist geht aus der Schrift nicht hervor, allerdings deutet die Tatsache, dass er so als Bergführer, als treuer Freund und Gefährte beschrieben wird, auf einen Zusammenhang mit dem Beruf hin.

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